Wegweisung ohne Ziel

Der heutige Gedenktag gegen Gewalt an Frauen ist in Hamburg dem Gewaltschutzgesetz gewidmet. Ein Jahr nach In-Kraft-Treten gibt es noch kein Konzept zur Umsetzung

Zum „internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“, der vor rund 20 Jahren von lateinamerikanischen Feministinnen ins Leben gerufen worden war, hängt in Hamburg selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Fahne raus. Ursprünglich sollte der Tag an die drei Schwestern Mirabal erinnern, die in der Dominikanischen Republik gegen den Diktator Trujillo im Untergrund kämpften und vom Geheimdienst am 25. November 1960 ermordet worden waren. Inzwischen wurde er von den Vereinten Nationen zum Gedenktag erklärt. In Hamburg dient dieser heute vor allem einem Resümee des neuen Gewaltschutzgesetzes.

Das trat zu Beginn des Jahres in Kraft. Zentrales Element ist das Wegweisungsrecht: Um zu verhindern, dass Frauen vor gewalttätigen Partnern fliehen müssen, kann die Polizei diese für mehrere Tage aus der gemeinsamen Wohnung verbannen. Die Wegweisung kann auch mit Sanktionen durchgesetzt werden, ein Verstoß dagegen steht unter Strafe und kann mit bis zu einem Jahr Haft oder Geldbuße geahndet werden. Auch, wenn der Täter Mit- oder Alleinmieter der Wohnung ist.

766 Mal hat die Hamburger Polizei bis Ende September 2002 eine solche „Wegweisung“ ausgesprochen. Das ist eine ebenso erfreuliche wie bedenkliche Zahl: Sie zeigt zum einen, dass mit dem Gesetz offenbar einem dringenden Bedürfnis von Frauen entsprochen wurde. Sie zeigt zum anderen aber auch das Ausmaß häuslicher Gewalt in der Stadt: Im Schnitt musste die Polizei am Tag 2,79 Männer aus der Wohnung schicken, weil sie ihre Partnerin misshandelt hatten.

Obwohl das Gewaltschutzgesetz bereits praktiziert wird, hapert es noch an der Umsetzung. Bis heute hat der Senat kein Konzept zur Anwendung vorgelegt. Die Rechtsanwältin Waltraud Braker mahnt an, dass RechtsanwältInnen und Gerichte, an die sich die betroffenen Frauen wenden können, dringend zum Gewaltschutzgesetz fortgebildet werden müssen. Problematisch ist auch, dass die Wegweisung nur für maximal zwanzig Tage gilt. Innerhalb dieser Zeit muss das Opfer seine weitere Situation klären – und dafür steht keine kompetente Hilfe bereit. In Österreich treten nach einer Wegweisung Mitarbeiterinnen einer „Interventionsstelle“ mit der misshandelten Frau zur Beratung in Kontakt. Eine solche Interventionsstelle hat in Hamburg die GAL-Fraktion beantragt, ein „Hamburger Interventionsprojekt gegen häusliche Männergewalt“ hat den Behörden ein Konzept vorgelegt – ohne Ergebnis bisher. Auch im Haushalt für 2003 ist dafür kein Etat vorgesehen. ELKE SPANNER

Veranstaltung des Regenbogen zum Gewaltschutzgesetz heute um 19.30 Uhr, ESG, Schlüterstr. 2a; Diskussion des Landesfrauenrates um 19.30 Uhr im Goldbekhaus, Moorfurthweg 9