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Staatsvertrag mit dem Zentralrat

Das Verhältnis zwischen der größten Vertretung von Juden in Deutschland und dem Bund erhält erstmals eine klare rechtliche Grundlage. Zentralrats-Präsident Paul Spiegel ist nach Gespräch mit Kanzler Schröder und Innenminister Schily „sehr dankbar“

aus Berlin PHILIPP GESSLER

Der nüchterne Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland scheute nicht ein großes Wort: Dies sei ein „historisches Ereignis“, erklärte Paul Spiegel gestern nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily (beide SPD) im Bundeskanzleramt. Die Arbeit der Juden in Deutschland werde in großem Maße von der Regierung gefördert. Vor allem aber werde nun erstmals seit 1945 auf Bundesebene ein Staatsvertrag mit der Vertretung der Juden in Deutschland ausgearbeitet. Dafür sei er „sehr dankbar“.

Bisher gibt es – wegen der Kultushoheit der Länder – Staatsverträge nur auf Landesebene: zwischen den Landesverbänden der jüdischen Gemeinden und ihren jeweiligen Landesregierungen. Deshalb haben die Zuwendungen des Bundes für den Zentralrat bis heute lediglich den Status freiwilliger Leistungen. Wie Schröder einräumte, hat der Bundesrechnungshof bemängelt, dass bisher eine eindeutige rechtliche Basis für diese Bundesmittel fehlte. Auch wenn noch unklar sei, wie lange die Verhandlungen dauern, werde mit dem geplanten Staatsvertrag eine „klare Rechtsgrundlage“ geschaffen, sagte Schily. Die Vereinbarung mit dem Zentralrat sieht zudem vor, die Mittel des Bundes für den Zentralrat auf drei Millionen Euro zu verdreifachen. Damit trage der Bund der Tatsache Rechnung, dass die Zahl der Juden in Deutschland seit Mitte der 80er-Jahre stark gestiegen und der Betreuungsaufwand für die Zugezogenen „gewaltig“ sei, sagte Schröder. Zu den 83 jüdischen Gemeinden unter dem Dach des Zentralrats gehören nach Auskunft Spiegels rund 100.000 Mitglieder – mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus Ländern der früheren Sowjetunion. Mit diesem „Mindestbetrag“ werde sich der Zentralrat verstärkt darum sorgen, die jüdischen Zuwanderer mit ihrer Religion wieder näher vertraut zu machen, sagte Spiegel. Er verwies zudem darauf, dass es bundesweit nur 30 Rabbiner gebe, die sich um die Seelsorge kümmerten. Außenminister Joschka Fischer (Bündnisgrüne) hatte am Mittwochabend die Bedeutung der jüdischen Gemeinde für die Bundesrepublik betont. Der Holocaust müsse als „fortwährende Mahnung“ im Gedächtnis bleiben.

Beim geplanten Staatsvertrag bleibt die „Union progressiver Juden in Deutschland“ zunächst außen vor. Der Vorsitzende des Verbandes von 15 liberalen Gemeinden, Jan Mühlstein, zeigte sich überrascht über die Einigung des Zentralrats mit dem Bund. Die Gespräche seien ganz neu für ihn. Ein Staatsvertrag könnte jedoch auch der „Union“ womöglich die Chance bieten, über den Zentralrat Bundesmittel zu erhalten. Schily sagte, man bemühe sich seit längerem um eine Integration der „Union“ in den Zentralrat.

Angesprochen auf neue Terrordrohungen, sagte Spiegel, in den jüdischen Gemeinden herrsche „pure Angst“. Es sei eine „schlimme Sache“, dass sich viele Mitglieder nur noch in die Synagogen trauten, wenn diese bewacht würden.

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