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Das traurige Schicksal des eisernen Felix

Moskaus Bürgermeister wollte die Statue des KGB-Gründers Dserschinski wieder entmotten. Putin hat das gestoppt

MOSKAU taz ■ In einem lauschigen Moskauer Park fristet der eiserne Felix seinen Ruhestand. Wie zu alten Zeiten steht der Gründer der berüchtigten sowjetischen Geheimpolizei hoch aufgerichtet auf seinem Sockel und erschreckt noch heute jeden Spaziergänger, der sich in die Grünanlage hinter dem Haus der Künstler verirrt, wo „künstlerisch wertvolle“ Plastiken von ehemaligen Sowjetgrößen zu begutachten sind. Etwas absurd kommt es einem vor, dass es die 15-Tonnen-Statue überhaupt noch gibt. Schließlich war sie im August 1991 in einer eindrücklichen, symbolischen Geste sozusagen vom russischen Volk selber vom Sockel gerissen worden.

Doch dann sollte es plötzlich vorbei sein mit der Ruhe. Moskaus eigenwilliger Bürgermeister, Juri Luschkow, hat eines Morgens im September beschlossen, einen sehnlichen Wunsch der Kommunisten zu erfüllen und den eisernen Felix aus dem lauschigen Park auf den verkehrsumfluteten Lubjanka-Platz vor dem KGB-Hauptgebäude zurückbringen. Nein, natürlich wolle er die „Ausrutscher“ des roten Terrors nicht beschönigen, winkte Luschkow ab. Doch die Statue sei künstlerisch wertvoll und zudem müsse man auch Dserschinskis positive Seiten sehen. Etwa, dass es unter seiner Herrschaft keine Straßenkinder gegeben habe. Die Russen haben ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit und den eisernen Helden aus der Sowjetzeit. Doch Dserschinski ist ein Grenzfall: Er wird mit den dunkelsten Jahren des Sowjetregimes in Verbindung gebracht. Dass es unter seiner Terrorherrschaft angeblich keine Straßenkinder gab, täuscht die meisten Russen nicht darüber hinweg, dass niemand dem Land so viele Waisen beschert hat wie er: indem er ihre Eltern verhaften, deportieren und erschießen ließ.

Über Dserschinskis jüngstes Schicksal wird jedoch der Kreml entscheiden: Dort ist man zu sehr ums Image besorgt, um Luschkows neue Großtat in Sachen Stadtverzierung durchgehen zu lassen. Schließlich versucht Präsident Wladimir Putin seit Jahren, das Image eines autoritären Geheimdienstmannes loszuwerden und sich zum modernen Staatschef westlichen Zuschnitts (mit russischer Komponente) zu mausern.

Luschkows angebliches Geburtstagsgeschenk für Putin, der demnächst seinen 50. Geburtstag feiert, dürfte deshalb im Kreml nur Panik ausgelöst haben. Schließlich ließ die Präsidialadministration verlauten, man halte die Umplatzierung des KGB-Gründers für keine gute Idee, und bekräftigte das Gebot des historischen Rühr-mich-nicht-an. Die Exponenten der Vergangenheit sollen bis auf weiteres dort bleiben, wo sie sind: Dserschinski im Park und Lenin im Mausoleum am Roten Platz.

ZITA AFFENTRANGER

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