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Ein Freipass für alle Kaliningrader

EU-Kommission macht Vorschlag, wie die Bewegungsfreiheit der Bürger der russischen Exklave gesichert werden kann

BRÜSSEL taz ■ Für das künftige Transitverfahren zwischen Kaliningrad und Russland hat die Europäische Kommission gestern in Brüssel einen Vorschlag vorgelegt. Kaliningrad ist durch litauisches und lettisches Staatsgebiet vom Mutterland getrennt. Wenn diese beiden Staaten der EU beitreten, wird es geografisch zur russischen Insel in der Union. Russland verlangt, dass den Bewohnern der Stadt dadurch kein Nachteil in ihrer Bewegungsfreiheit entstehen darf. Die EU fürchtet, dass via Kaliningrad die russische Mafia einsickern könnte, wenn das Grenzregime im Vergleich zu anderen Außengrenzen gelockert wird.

Die Kommission schlägt nun vor, Pendlern unbürokratisch ein Mehrfachvisum auszustellen, eine Art „Kaliningrad-Pass“. Es soll sowohl für Russen gelten, die regelmäßig Geschäfts- oder Privatbesuche in Kaliningrad machen, als auch für Bewohner der Küstenstadt, die häufig in umgekehrter Richtung reisen.

Die russischen Behörden sollen eine Liste solcher „Vielfahrer“ erstellen. Konsulate der betroffenen Nachbarn sollen die Visa ausstellen. Voraussetzung dafür ist, wie die Kommission betont, dass Russland die bürokratischen Hürden für die Einrichtung solcher Behörden heruntersetzt. In einer Übergangszeit von zwei Jahren soll ein russischer Pass für den Antrag genügen. Danach ist ein international gültiges Reisedokument erforderlich, über das bisher nur jeder vierte Kaliningrader verfügt.

Aus dem Tacis-Programm soll Russland unterstützt werden, seinen Teil eines möglichen Visaabkommens zu erfüllen. Mittelfristig denkt die EU-Kommission auch daran, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von Kaliningrad nach Russland finanziell zu fördern, die ohne Halt durch Litauen führt. Für diesen Zug wäre dann kein Visum nötig.

Wie viele Menschen einen Kaliningrad-Pass beantragen würden, darüber gehen die Schätzungen weit auseinander. Während die Kaliningrader Regionalverwaltung angibt, im vergangenen Jahr seien 2 Millionen Menschen von Kaliningrad über Polen nach Russland gereist, haben die polnischen Behörden nur halb so viele Reisende gezählt.

Ob Russland dem Kommissionsvorschlag zustimmt, ist noch völlig offen. Ende Oktober wird sich der Europäische Rat in Brüssel darüber verständigen. Nach dem Zeitplan soll am 11. November auf dem EU-Russland-Gipfel Präsident Putin das Paket abnicken. Bislang war eine Einigung auch an finanziellen Fragen gescheitert. Während Russland derzeit polnischen Bürgern 35 Dollar für ein Visum berechnet, hatte Putin gefordert, die Transitvisa müssten umsonst sein.

Kommissionspräsident Prodi betonte gestern, der Kaliningrad-Pass werde gratis ausgestellt. Verwaltungs- und Kontrollkosten, die Polen und Litauen dadurch entstünden, trage die EU. „Diejenigen, die diesen Pass bekommen, können lustig reisen“, kündigte der Kommissionspräsident an. Weitere Zugeständnisse will die EU aber nicht machen. DANIELA WEINGÄRTNER

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