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Gerhard Schröder auf Anti-Amerika-Kurs

SPD-Wahlkampfauftakt in Hannover: Kanzler wettert gegen US-Neoliberalismus und „Spiele mit Krieg“

HANNOVER taz ■ Immerhin Gerhard Schröder selbst beendete gestern auf dem hannoverschen Opernplatz den SPD-Wahlkampfauftakt voller Zuversicht. Mit der Kundgebung in des Kanzlers Heimat machten sich die Sozialdemokraten auf, die Wahl zu gewinnen. „Weil sie gewinnen wollen, werden sie auch gewinnen“, röhrte der SPD-Vorsitzende zum Abschluss ins Mikrofon.

Zuvor hatte sich der Kanzler vor allem von den USA abgegrenzt und deutsche oder europäische Eigenständigkeit reklamiert. Da forderte Schröder nicht nur allgemein eine „neue Ethik“ bei wirtschaftlichen Eliten ein. Er will nun auch „die Zeiten wirklich überdenken“, in denen Amerika noch wirtschaftlich „als Vorbild dienen sollte“.

Schröder kritisierte, in den Vereinigten Staaten verlören die „kleinen Leute“ ihre Alterssicherung, während die Manager Milliardenabfindungen kassierten. Dies sei nicht „der deutsche Weg, den wir für unser Volk gehen wollen“. Nein, das deutsche Modell sei der „Arbeitnehmer mit Rechten“, der seinem Arbeitgeber auf gleicher Augenhöhe gegenübertrete, verklärte Schröder die deutsche Mitbestimmung. Man müsse die Kräfte des Marktes entwickeln, aber zugleich für soziale Gerechtigkeit sorgen, variierte er den alten Wahlkampfrenner von 1998 von „Innovation und Gerechtigkeit“.

In die Verteidigung des europäisch-deutschen Sozialstaats gegen den US-Neoliberalismus fügte sich des Kanzlers Kritik an der US-Irak-Politik nur zu gut ein. „Wir sind zur Solidarität bereit“, betonte der SPD-Chef, „aber dieses Land steht unter meiner Führung zu militärischen Abenteuern nicht zur Verfügung.“

Schröder wehrte sich implizit gegen den Vorwurf, deutsche Kriegsangst zu Wahlkampfzwecken zu nutzen: Das Thema Irak-Krieg stehe ohnehin auf der Tagesordnung, weil einen Tag nach der Bundestagswahl auf einem Nato-Gipfel über die weitere Politik im Nahen Osten entschieden werde. Schröder lehnte jede deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak strikt ab. „Spiele mit Krieg und militärischen Interventionen sind mit uns nicht zu machen“, sagte er. Anders als die Kohl-Regierung den ersten Golfkrieg, werde Deutschland einen weiteren Irak-Krieg nicht bezahlen.

Das Publikum, nach Angaben der hannoverschen Polizei gut 5.000 SPD-Anhänger, nach Schröders eigener Zählung sogar „mehr als 10.000 Menschen“, reagierte vor allem auf den Sozialstaats- und den Friedens-Schröder mit ordentlichen Beifallsstürmen. SPD-General Franz Müntefering ging anschließend mit einen großen blauen „SPD-Mobiltruck“ auf große Fahrt und will mit seinem Müntomobil nun bis zum 22. September noch 77 Städte abklappern.

JÜRGEN VOGES

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