: Harmonien eines ungleichen Paares
Frank London und Boban Markovic trauen sich: Zur Eröffnung der diesjährigen Heimatklänge-Saison im neuen Tempodrom traten sie und ihre Orchester mit doppelter Blaskraft an und feierten begeistert Vermählung auf serbische und New Yorker Art
von DANIEL BAX
Auch wenn die „Heimatklänge“ erst in diesem Jahr ganz im Zeichen der Hochzeitsglocken stehen: Als Institut zur Eheanbahnung waren sie schon immer bekannt. Nicht wenige binationale Ehen in Berlin verdanken sich jedenfalls einem Flirt beim Festival. Und auch Frank London dürfte entsprechend gute Erinnerungen an die „Heimatklänge“ haben: Schließlich hat er seine heutige Frau hier kennen gelernt, als er mit seiner „Les Misérables Brass Band“ im allerersten Festivaljahr in der Stadt zu Gast war.
Das Wetter war jedenfalls ideal: Feiner Nieselregen lag über der ganzen Stadt, als die „Heimatklänge“ am Freitag in ihre neue Saison starteten, ihre erste unterm monströsen Stahlbetondach des neuen Tempodroms. Beste Voraussetzungen also für ein Indoor-Event, das die „Heimatklänge“ ja nunmehr sind. Doch obschon die neue Halle Trockenheit versprach, fand sich das Publikum anfangs nur zögernd ein. So blieben die Stände des „Ja-Markts“ auf der Dachterrasse im Regen verwaist, während den frühen Gästen drinnen, im Eingangsbereich, allenthalben die drei Darsteller der britischen Gruppe „Cocolores“ über den Weg liefen: Eine schluchzende Braut im weißen Kleid jagte da, hysterisch aufgelöst, zwei schnurrbärtigen Herren in Feinrippunterwäsche hinterher.
Als Frank London wenig später, nunmehr als Anführer der Klezmer Brass All Stars, wieder auf die Bühne der „Heimatklängen“ zurückkehrte, stellte er zunächst, mit charmant gebrochenem Deutsch, seinen aktuellen Partner vor, mit dem er sich an diesem Abend aber zum ersten Mal vor Punlikum präsentierte. Zwar hatte er Boban Markovic schon vor Jahren bei einem Festival in Thessaloniki kennen gelernt, und im vergangenen Jahr entstand in Budapest das gemeinsame Album „Brotherhood of Brass“. Doch live war das Duett am Freitag eine echte Premiere.
Getrennt musizieren, vereint blasen: Überließ Frank London seinem Partner in der ersten Hälfte das Parkett, so schlugen die beiden ungleichen Ensembles in der zweiten Halbzeit mit doppelter Blaskraft zu. Boban Markovic bereitete das Feld mit bewährten Gipsy-Gassenhauern, die teils durch die Filmen von Emir Kusturica bekannt geworden sind, und ausgefeilten Arrangements, denen nichts Hinterwälderisches eigen ist. In Jugoslawien ist das Boban Markovic Orkestar eine echte Marke, davon kündeten auch die T-Shirts, die alle Mitglieder als Zeichen ihrer Corporate Identity trugen. Fünf Mal wurde Boban Markovic in dem kleinen serbischen Städtchen Guca, wo man sich alljährlich zur Weltmeisterschaft der Blechbläser trifft, schon mit der „goldenen Trompete“ als bester Interpret der Region ausgezeichnet, was bei der Konkurrenz auf dem Balkan an sich schon bemerkenswert ist. Diese Auszeichnung gilt nicht zuletzt aber auch als Eintrittskarte, um zu möglichst vielen Hochzeitsfeiern eingagiert zu werden. Auch Frank Londons individualistisches Kollektiv von der Lower East Side zeigte sich indes hochzeitserprobt: Klar spiele man auch auf jüdischen Hochzeiten in New York auf, bekannte Frank London. Allerdings vermeide man es dabei, neben den unvermeidlichen Freylekhs auch noch den dem häufigen Wunsch nach „Lambada“ oder „Celebration“ von Kool & The Gang nach zu kommen.
Die hätte man, in ihrer Klezmervariante, zwar gern mal gehört, doch das gemeinsame Repertoire entschädigte für diesen Wunsch: Spätestens in der zweiten Halbzeit hatten beide Orchester ihr Publikum entschieden schwindelig gespielt. Wären sie im alten Tempodrom-Zelt aufgetreten, sie hätten es sicher aus der Verankerung geblasen.
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