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Sonderbar sauberes Meck-Pomm

Laut Verfassungsschutzbericht gab es in Mecklenburg-Vorpommern 2001 keine rechtsextremistischen Gewaltdelikte. Statistik sagt aber nichts über Wirklichkeit aus, denn rechte Straftaten werden in den Bundesländern unterschiedlich erhoben

von ULRIKE WINKELMANN

Armes Brandenburg. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht führt es die Statistik an, in der die Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund pro 100.000 Einwohner erfasst werden: 2,58 sind es. Wunderbares Mecklenburg-Vorpommern: Das Nachbarland, sonst immer ganz vorn in der Statistik, hat für 2001 keine einzige rechtsextremistische Gewalttat an das Bundeskriminalamt gemeldet. Unschuldig steht es mit 0,0 am unteren Rand des Balkendiagramms im Verfassungsschutzbericht, den Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vor einer Woche präsentierte.

Um zu erfahren, was die rechte Szene in Mecklenburg-Vorpommern so treibt, muss man schon in den Landesverfassungsschutzbericht schauen: 250 „rechte“ Delikte wurden demnach hier gezählt, 40 davon waren Gewaltdelikte. Demnach ist also nicht davon auszugehen, dass alle Rechtsextremisten das Land verlassen haben.

Das sieht man auch im Schweriner Innenministerium so. Aber, erklärt eine Sprecherin, „wir halten uns bei der Erfassung der Straftaten an die Definition von Extremismus, wie sie gesetzlich vorgeschrieben ist“. In Schwerin nennt man „extremistisch“ nur den, der bei seiner Tat die Überwindung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) der Bundesrepublik im Sinne hatte. Alles andere sei bloß „rechts“ – oder eben „links“.

Der statistische Wirrwarr wird durch ein Definitionsproblem erzeugt, das von Mecklenburg-Vorpommern provokant ausgenutzt wird. Denn hier verwendet man jetzt nur noch ein neues Kriterium zur Erfassung politischer Kriminalität, auf das sich die Innenministerkonferenz im Mai 2001 nach mühsamem Ringen einigen konnte: die so genannte politisch motivierte Kriminalität, kurz PMK. Dieses Kriterium wurde geschaffen, um den unglücklichen Extremismusbegriff zu ergänzen, über dessen Anwendung die Verfassungsschützer seit Jahrzehnten streiten.

Denn die Definition „Überwindung der FDGO“ war für die Erfassung als unzulänglich erkannt worden: Zum Beispiel zeichnen sich Rechtsextremisten im Gegensatz zu Linksextremisten dadurch aus, dass sie zwar ein rassistisches und sozialdarwinistisches Weltbild, aber nicht unbedingt die Zerschlagung der Bundesrepublik im Sinn haben.

In den anderen Bundesländern hat man gemäß dem Beschluss der Innenminister versucht, Extremismus als Untergruppe der politisch motivierten Kriminalität zu begreifen, ohne den Begriff Extremismus zu verabschieden. Hier hält man sich im Wesentlichen an die Definition, wonach bei Rechtsextremismus davon auszugehen ist, dass eine nationalistische, rassistische oder totalitäre Weltanschauung vorliegt, die „im Gegensatz zu den Prinzipien der FDGO“ steht. Bundesweit wurden so etwa 14.725 rechte PMK-Straftaten gezählt. Davon galten 10.054 als rechtsextremistisch.

Helmut Willems, Trierer Rechtsextremismusforscher, fürchtet, dass auch der Versuch, zwischen rechts und rechtsextremistisch zu unterscheiden, nicht zu mehr Klarheit geführt hat. „Ich glaube, dass nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den anderen Ländern die Beamten den Überblick verloren haben“, sagt er. Dabei hat Willems selbst maßgeblich daran mitgewirkt, dass das Kriterium politisch motivierte Kriminalität eingeführt wurde. Allerdings haben die Innenminister Willems’ Rat nicht befolgt, die Erfassung der Straftaten mit Kontrollstudien und Fortbildungen der Beamten zu begleiten. „Die Innenminister haben wenig professionell gehandelt“, klagt Willems.

Das Bundeskriminalamt, in dem eine „Arbeitsgruppe Terminologie“ immerhin monatelang an den neuen Definitionen gebastelt hat, tut, als sei das Verhalten der Länder nicht seine Sache. Dito das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dito das Bundesinnenministerium: „Ländersache“, erklären alle Bundesbehörden und „wollen die Sache nicht kommentieren“. Ab kommenden Mittwoch tagt die Innenministerkonferenz in Bremerhaven. Die Bundesbehörden sitzen dabei. Das Thema PMK steht nicht auf der Tagesordnung.

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