PALÄSTINA MUSS DEMOKRATISCHER WERDEN: Die Israelis sind nicht an allem schuld
In Palästinas Zivilgesellschaft mehren sich die Stimmen derer, die Reformen in der Autonomiebehörde fordern. Für die meisten Palästinenser ist Kritik am Präsidenten selbst zwar tabu. Aber zufrieden mit der Regierung ist auch niemand. Der palästinensische Minister für parlamentarische Angelegenheiten, Nabil Amr, trat jetzt sogar zurück, weil sein Ruf nach Reformen und personaler Erneuerung am Kabinettstisch ungehört verhallte. Ironischerweise hat Amr damit eine seiner Forderungen gleich selbst erfüllt, nämlich die Verschlankung der palästinensischen Ämter. Die Autonomiebehörde leistet sich 30 Ministerien, darunter vier gänzlich ohne Portfolio und mindestens ein halbes Dutzend ohne wirkliche Aufgaben.
Tatsächlich kann man der Regierung Arafat eine Menge vorhalten. Wahlbetrug, Verschleppung demokratischer Reformen und Korruption gehören dazu. Und zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorganisationen werden öfter behindert als unterstützt. Nun wäre es zwar eine Illusion zu glauben, dass Präsident Arafat nach Beendigung seines Hausarrests wieder voll handlungsfähig wäre; selbstverständlich behindert die israelische Besatzung einen geregelten Ablauf von Regierungsgeschäften. Aber ein Federstrich Arafats würde genügen, und Palästina hätte wenigstens ein Grundgesetz. Seit Jahren verweigert Arafat dessen Unterzeichnung. Und der Aufbau demokratischer Strukturen und eines funktionierenden Rechtswesens noch vor der Staatsgründung gehört nun einmal zu den Aufgaben des Präsidenten.
Immerhin versprach Arafat, dass der Wiederaufbau in den palästinensischen Gebieten transparent vonstatten gehen werde. Denn dass Hilfsgelder in Palästina gelegentlich versickern, hat sich auch in den Geberländern herumgesprochen. Außenminister Joschka Fischer hat Recht, wenn er sagt, er würde in Palästina lieber Wahlen organisieren, als Geld in undurchsichtige Institutionen zu stecken. Dies ist genau die Art von Druck, die auf Arafat ausgeübt werden muss. Er kann zwar die meisten, aber nicht alle Probleme den Israelis anlasten. YASSIN MUSHARBASH
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