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eine frau bleibt eine frau von RALF SOTSCHECK

Echte Männer gelten in Irland noch etwas. Unechte haben dagegen nichts zu lachen. Nicholas Krivenko ist Russe. Für die irischen Behörden ist er jedoch eine Russin, denn bis vor vier Jahren war er eine Frau. Dann ließ er eine Geschlechtsumwandlung vornehmen und heiratete seine deutsche Freundin Sybille Hintze auf dem Standesamt im westirischen Limerick. Kennen gelernt hatten sie sich 1993. Damals hieß Nicholas noch Nadja und exportierte irische Butter nach Russland. Aber schon Nadja sei „ziemlich maskulin“ gewesen, sagt Sybille Hintze.

Da er nun mit einer Bürgerin der Europäischen Union verheiratet war, nahm Krivenko an, dass ihm ein unbeschränktes Aufenhaltsrecht in allen EU- Ländern zustand. Nicht jedoch in Irland und in Großbritannien. Beide Länder erkennen Geschlechtsumwandlungen nämlich nicht an, und da sie auch keine gleichgeschlechtlichen Ehen erlauben, müssen Transsexuelle Singles bleiben.

Bei Krivenko haben es die irischen Behörden zu spät gemerkt, weil er listigerweise einen Schnurrbart und Männerkleidung trägt. Dadurch konnte er den Standesbeamten täuschen – aber nicht die Polizei. Zwar hatte Krivenko nach seiner Heirat beim Justizministerium in Dublin eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung beantragt und auch erhalten, als er sich bei seinem örtlichen Polizeirevier jedoch eine Anmeldebestätigung und den notwendigen Stempel für seinen Pass abholen wollte, verweigerte ihm der Dorfpolizist das. Die Ehe sei null und nichtig, erklärte man Krivenko, obwohl er eine neue russische Geburtsurkunde vorlegen konnte, die ihn als Mann ausweist. Eine russische Geburtsurkunde gilt in Irland nicht. Schließlich waren das bis vor kurzem alles Kommunisten, und gegen eine Flasche Wodka hätten sie Krivenko wohl auch bescheinigt, dass er ein Wellensittich sei.

Der Fall geht nun vor Gericht. Es ist ein Präzedenzfall für die irische Justiz, denn von einer ehemaligen Frau, die eine andere Frau heiraten will, hatte man auf der Insel bisher noch nicht gehört. Krivenko hat das Justizministerium, die Polizei, den Generalstaatsanwalt und den gesamten Staat verklagt. Die Angelegenheit zeige, was für ein lächerliches Land Irland sei, sagt Krivenko: „Ich kann keinen Pass beantragen, ich kann kein Geschäft aufmachen. Ich fühle mich wie ein Bürger zweiter Klasse.“ Wäre er Russin geblieben und hätte einen deutschen Mann geheiratet, wäre sie Bürgerin erster Klasse, meinen die irischen Behörden.

Möglicherweise kommen die Dänen den Krivenkos jetzt zu Hilfe. Das Standesamt in Kopenhagen lud das unverheiratete Ehepaar in die dänische Hauptstadt ein, um dort noch einmal zu heiraten. Ob das etwas nützt, ist aber keineswegs sicher. Wenn die Iren eine Eheschließung im eigenen Land schon nicht anerkennen, warum sollten sie dann eine Heiratsurkunde aus einem fragwürdigen Land akzeptieren, in dem fast die Hälfte aller Kinder unehelich geboren wird? Hat das Kopenhagener Standesamt die Krivenkos etwa nur deshalb eingeladen, weil sich die Beamten wegen der dänischen Heiratsunlust langweilen?

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