: Siegen und Verlieren an der Heimatfront
Viel Hickhack um eine WDR-Reportage, in der die Auslandseinsätze der Bundeswehr kritisch beleuchtet werden
Pazifismus ist kein Zuckerschlecken – davon kann der Siegener Lehrer Bernhard Nolz ein Lied singen. Nachdem er seine Schüler in einer Rede zum 11. September zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen hatte, wurde er erst mal vom Dienst suspendiert und später versetzt. Dem Zentrum für Friedenskultur (ZfK) in Siegen, dessen Geschäftsführer Nolz ist, wurden einstweilen von der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Projektgelder gesperrt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, bisher noch ohne Ergebnis.
Jetzt hat der Fall Nolz ein weiteres Nachspiel: Der WDR hat für seine „story“-Reihe offenbar einen Film über den Lehrer in Auftrag gegeben – doch dieser wurde bislang nicht ausgestrahlt. Dagegen hat der Verein Aachener Friedenspreis beim WDR-Rundfunkrat eine Programmbeschwerde eingelegt. Demnach wurde der Film bereits mehrfach aus dem Programm genommen. Die Aachener befürchten, dass „Siegen an der Heimatfront“, so der Titel, wegen seines Inhalts nicht gezeigt werden soll.
Ihren Informationen nach ist in die inhaltliche Gestaltung der Dokumentation „immer wieder eingegriffen“ worden, „um kritische Aussagen über Auslandseinsätze deutscher Soldaten, über deutsche Rüstungsinteressen und über die Verfolgung deutscher Pazifisten zu verändern“. Auch in Kriegszeiten müsse kritische Berichterstattung möglich sein, mahnt Gerhard Diefenbach, Vorsitzender des Aachener-Friedenspreis-Vereins.
Erster Sendetermin sollte der 10. Dezember sein. Doch auf Drängen der Redaktion musste Filmautor Hans-Rüdiger Minow noch einiges ändern. Ende Januar rief Minow schließlich den Rundfunkrat des WDR an. Dabei warf er dem Sender Zensur, Nötigung eines abhängigen Vertragspartners und schwerwiegende Eingriffe in das Statut des WDR vor. Daraufhin soll der Film technisch und redaktionell abgenommen worden sein, so dass er jetzt sendefertig vorliegt und vom WDR bezahlt ist. Doch auch der nächste geplante Sendetermin, der 4. Februar, platzte. Gert Monheim von der „story“-Redaktion erklärte gegenüber der taz, der Film sei zurzeit „aus rechtlichen Gründen nicht sendefähig“ sei. Ob der Film überhaupt noch laufen werde, wollte Monheim nicht sagen.
So könnte sich die Befürchtung des Aachener Friedenspreises bewahrheiten, wonach die mehrmonatige Verzögerung dazu führen werde, „dass der Film endgültig abgesetzt wird“. In diesem Fall würde er wohl auf ewig in den Kellern des WDR liegen bleiben. Auf die Anschuldigungen aus Aachen reagierte der WDR bisher zurückhaltend. Immerhin: Die Vorwürfe würden ernst genommen und geprüft, ließ der Sender verlauten. Die Programmbeschwerde des Aachener Friedenspreises liege jetzt dem Intendanten vor, und der werde auch dazu Stellung nehmen, erklärte „story“-Redakteur Monheim in einem Fax.
Einen Tag später heißt es in einem Brief von Monheim, nicht Intendant Fritz Pleitgen, sondern der Fernsehdirektor Jörn Klamroth prüfe den „Brief“ des Friedenspreises und werde danach selber Stellung beziehen. Womit die Konfusion perfekt wäre.
DIRK ECKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen