: Kabelsalat
Samuel Finley Breese Morse (1791 bis 1872) arbeitete zunächst als Maler und war von 1826 bis 1845 erster Präsident der National Academy of the Arts of Design in New York.
Erst nachdem Morse 1835 eine gering dotierte Kunstprofessur erhalten hatte, konnte er seine Idee eines elektrischen Telegrafen weiterentwickeln. Er reichte sie am 3. Oktober 1837 als Patent ein. Morse verschickte 1844 das erste Telegramm der Welt – eines zwischen Washington und Baltimore.
Im Jahr 1854 lotete US-Marine-Lieutenant Matthew F. Maury die Beschaffenheit des Meeresbodens auf der für das Telegrafenkabel vorgesehenen Strecke aus. Er glaubte, ein gleichmäßiges sandiges Plateau ohne schroffe Felsen gefunden zu haben – für ein Kabel wie geschaffen. Doch die Hoffnung trog: 1857 riss das erste verlegte Kabel mehrere Male hintereinander. Erst 1866 konnte nach mehreren weiteren Fehlversuchen eine dauerhafte Verbindung hergestellt werden.
Das erste Atlantikkabel bestand aus einem elektrisch leitenden Strang von sechs Kupferdrähten, die um einen siebten herumgewunden waren. Darüber lagen zur Isolierung drei getrennte Schichten des in Asien gewonnenen Latexmaterials Guttapercha.
Um alles zusammen waren achtzehn Eisenstränge gewunden. Jede Meile Kabel wog eine Tonne. Die gesamte Länge der verwendeten Kupfer- und Eisendrähte betrug 332.500 Meilen – genug, um die Erde dreizehnmal zu umspannen.
Mit der Erfindung des Telefons 1876 verlor die Telegrafie ihre Bedeutung. Doch bis heute werden neben der Satellitenübertragung moderne Glasfaserkabel durch die Meere verlegt, vor allem für den Internetdatenverkehr. Modernste Kabel sind schneller, haben eine größere Kapazität und halten länger als Satelliten. Ihre weltweite Gesamtlänge beträgt rund dreihunderttausend Kilometer.
Während das Kabel mit einer speziellen Abrollsicherung möglichst kontrolliert von Bord gelassen wurde, ist es auf dem Meeresboden nicht nur Unebenheiten, Strömungen und wandernden Sandbänken ausgesetzt, die es durchscheuern und zum Reißen bringen können. Auch Muscheln, Würmer, Wale und größere Fische können das Kabel irreparabel beschädigen.
Das Atlantikseebeben von 1929 zerstörte achtzehn Kabel. Der größte Feind der Tiefseekabel aber ist der Mensch: Schiffsanker und Schleppnetze von Fischern zerstören Kabel ebenso fahrlässig, wie sich seit 1870 auch militärische Gegner gegenseitig ihre Kabel durchtrennten.
Der 1888 in Kraft getretene internationale Vertrag zum Schutz der Seekabel blieb im Kriegsfall wirkungslos. Heute werden die Kabel so gut es geht in den Meeresboden eingegraben und kräftig ummantelt.
Bis 1965 wurden alle transatlantischen Telefonverbindungen durch Unterseekabel übertragen. Dann übernahm der erste Radiosatellit Earlybird 31 Prozent der Verbindungen. Bis 1976 haben Intelsatelliten bis zu 71 Prozent der Kontakte übertragen. Doch die Satelliten spielen heute auf den Hauptstrecken kaum noch eine Rolle – modernste Seekabel sind schneller und halten länger als Himmelskörper.
CHRISTIAN HOLTORF
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