: Eine Steinigung im Namen Allahs
Der Nigerianerin Safiyatu Husaini droht wegen Ehebruchs in ihrem Heimatland die Todesstrafe
Safiyatu Husaini wartet auf den Tod, der durch Steine kommen wird. Anfang Oktober wurde die Frau Mitte dreißig wegen Ehebruchs verurteilt. Nach dem islamischen Strafkodex bedeutet dieses Vergehen für Verheiratete oder Geschiedene den Tod durch Steinigung. Wäre sie noch unverheiratet gewesen, wäre kein Todesurteil verhängt worden, sondern 100 Peitschenhiebe, wie für ein Mädchen vor einem Jahr.
Der Fall der zum Tode verurteilten Mutter Safiyatu begann in dem kleinen Dorf Tungar Tudu. Aber die Auswirkungen reichen bis in die sieben Autostunden entfernte nigerianische Hauptstadt Abuja. Tungar Tudu gleicht vielen Savannendörfern: wenig Grün, staubig, Lehmhäuser. Die Menschen betreiben Viehzucht, manchmal ein wenig Erdnussanbau.
Tungar Tudu ist 30 Kilometer entfernt von der Landeshauptstadt Sokoto im gleichnamigen Bundesstaat in Nordnigeria. Hier herrscht die Scharia als Landesrecht, seit sie vor zwei Jahren in rund einem Drittel aller nigerianischen Bundesstaaten wieder eingeführt wurde. In dem Dorf von Safiyatu Husaini regelte die altbekannte Scharia schon Jahrhunderte hauptsächlich Familien- und Landstreitigkeiten. Mit der jüngsten strengeren Lesart drängen jedoch drakonische Strafen in den Vordergrund.
„Ich wehre mich gegen diese Strafe, weil sie ungerecht ist. Er hat Schuld und soll sich vor dem Koran verantworten“, sagte Safiyatu Husaini dem britischen Sender BBC. Die zierliche Frau beschuldigt den 60-jährigen Yahaya Abubakar, sie vergewaltigt zu haben. Ihre glasigen Augen schimmern aus der dunkelbraunen, von der Sonne ausgetrockneten Haut.
Als die Tochter Adamu auf die Welt kam, versuchte der blinde Vater von Safiyatu eine Lösung zu finden. Entweder solle Abubakar, der auch ihr Vetter ist, Safiyatu heiraten oder mindestens die Feier zur Namensgebung bezahlen. Darauf wollte sich der bereits zweifache Ehemann anscheinend nicht einlassen, denn er wandte sich mit dem Vorfall an die Polizei.
Es wurde bekannt, dass er zunächst die Vaterschaft anerkannte. Da jedoch angeblich nur drei Polizisten als Zeugen bei der Vernehmung anwesend waren, wurde Yahaya Abubakar später, nachdem er seine Angaben widerrufen hatte, freigesprochen. Nach der Scharia müssen mindestens vier Erwachsene Zeugen von Ehebruch sein, damit das Todesurteil verhängt werden kann. Später bestritt der vermeintliche Vater sogar, Safiyatu zu kennen.
Safiyatu Husaini spricht nur Haussa und kann wahrscheinlich nur erahnen, welche Dimensionen ihr Fall angenommen hat. Verschiedene Vertreter des islamischen Establishments in Nordnigeria und im Bundesstaat Sokoto sowie die dortige Landesregierung scheinen das Urteil vollstreckt sehen zu wollen. Die Zentralregierung ist hingegen zurückhaltener und hilft Safiyatu sogar bei der Berufung.
Theoretisch könnte der Fall bis vor das höchste Gericht gebracht werden. Spätestens dann wird in Nigeria die bislang vermiedene Antwort fällig, welche Befugnisse das islamische Gesetz unter einer säkularen Verfassung hat. Der Justizminister äußerte bereits scharfe Kritik an dem Scharia-Urteil. Jedoch wurde er einen Tag vor Heiligabend erschossen. Safiyatus Leben liegt nicht nur in den Händen Allahs, sondern einiger Männer in Nigeria. HAKEEM JIMO
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