Kommentar: Waterloo
■ Warum Schill in einem politischen Prozess freigesprochen werden wird
Ronald Schill hatte Recht: Sein Prozess ist ein Waterloo für die Hamburger Justiz. Er hatte mit diesem Satz vor einem Jahr zwar die Behörden unter dem rot-grünen Senat gemeint. Jetzt, da er als Innensenator auf der Anklagebank sitzt, bestätigt sich aber, dass im Landgericht ein „politischer Prozess“ verhandelt wird.
Die Beteiligten machen keinen Hehl daraus, dass ihr Urteil schon feststand, ehe die ersten ZeugInnen vorgeladen wurden. Schill, daran kann kein Zweifel mehr bestehen, wird am Freitag freigesprochen.
Es ist beschämend zu beobachten, wie wenig Rückgrat die beteiligten Richter und Staatsanwälte besitzen, seit der ehemalige Kollege zum Senator wurde. Sie trauen sich nicht einmal mehr, mit kritischen Fragen Zweifel an Schills damaligem Verhalten anzudeuten. Dabei hat auch der Bundesgerichtshof eindeutig gesagt, dass Schill die Haftbeschwerde damals zu zögerlich bearbeitet hatte. Wenn aber die eigene Karriere vom Verlauf eines Verfahrens abhängen kann, ist sich doch jeder selbst der Nächste.
Natürlich ist es unangenehm für die Staatsanwaltschaft, von einer Justizbehörde weisungsabhängig zu sein, deren oberster Chef Regierungspartner des Angeklagten ist. Aber dass die Justiz vor den politischen Vorgaben des Senates kusche, hatte Schill dieser im Wahlkampf immer vorgeworfen. Jetzt profitiert er selbst davon, und er genießt es mit einem entspannten Grinsen auf der Anklagebank.
Von einer „rechtsstaatlichen Offensive“ kann in seinem Prozess keine Rede sein.
Elke Spanner
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