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„An diesem Abenteuer soll sich niemand beteiligen“

Acht Abgeordnete der Grünen sprechen sich gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan aus. Wir dokumentieren ihr Positionspapier in Auszügen

„Der Krieg in Afghanistan dient (...) nicht der zielgerichteten Bekämpfung terroristischer Strukturen und trifft in besonderem Maße die Zivilbevölkerung. Eine direkte oder indirekte Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in Afghanistan lehnen wir aus folgenden Gründen ab:

– Der Krieg in Afghanistan kann das Problem des internationalen Terrorismus nicht lösen;

– er ist unverhältnismäßig, da er über die richtige Verfolgung einer gefährlichen Verbrecherbande weit hinausgeht und ein ganzes Land zum Ziel eines Krieges macht;

– der Krieg verwüstet ein ohnehin nach zwanzig Kriegsjahren weitgehend zerstörtes Land weiter und verschärft so die verzweifelte humanitäre Lage an den Rand einer Katastrophe;

– das Kriegsziel sowie die militärische und politische Strategie zu seiner Erreichung sind unklar; der Krieg soll auch dem Sturz der Taliban dienen – ohne dass es allerdings eine realistische politische Konzeption für eine Post-Taliban-Lösung gäbe;

– er verschärft die Gefahr einer regionalen Eskalation, eröffnet das Risiko, das fragile Pakistan in den Staatszerfall und Bürgerkrieg zu treiben;

– ein längeres Andauern des Krieges droht dem Kalkül der Terroristen in die Hände zu spielen, indem er einen Konflikt zwischen dem Westen und der islamischen Welt in Kauf nimmt und die säkularen Eliten der islamischen Welt in Gefahr bringt;

– er verschärft die Gefahr, durch die Schaffung von Märtyrern und zivilen Opfern die Terroristen politisch zu stärken und ihnen mittelfristig mehr Unterstützung zuzuführen.

(...) Es handelt sich um ein Abenteuer, an dem sich niemand, auch nicht die Bundesrepublik, beteiligen sollte. Eine Unterstüzung dieses Krieges durch deutsche Soldaten ist deshalb nicht zu verantworten und muss unterbleiben.

Darüber hinaus sprechen grundsätzliche Erwägungen gegen die Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung zur Bereitstellung von Bundeswehreinheiten:

Der zur Abstimmung stehende Antrag entmündigt das Parlament. (...) Die Gewährung einer Ermächtigung zu einem allgemein zweifelhaften und im Detail unbekannten Militäreinsatz würde der Verantwortung des Parlaments nicht gerecht.

Eine Kriegsbeteiligung der Bundeswehr treibt die „Enttabuisierung“ des Militärischen als Mittel der deutschen Außenpolitik einen entscheidenden Schritt weiter. (...)

Terrorbekämpfung

Die Bekämpfung des Terrorismus müsste (...) aus zwei Kernelementen bestehen: der Ergreifung der Täter, ihrer Anklage und Aburteilung sowie der Austrockung des politischen Umfeldes des Terrorismus. Unsere Aufgabe ist es in erster Linie, die Strukturen und Netzwerke dieses neuen Terrorismus hier in Deutschland, in Europa und den USA zu zerstören (...).

Eine Festnahme der als Hintermänner Verdächtigen in Afghanistan und anderen Ländern muss zuerst einmal durch Auslieferung bewirkt werden (...). Dieser Weg ist nicht ausreichend verfolgt worden. Oder sie kann – wenn nicht anders zu bewerkstelligen – durch gewaltsame, polizeiliche bzw. militärische Mittel erfolgen. (...)

Die terroristischen Verbrecher müssen isoliert werden, sie dürfen nicht die Chance erhalten, in der Wahrnehmung der Menschen nicht nur in islamischen Ländern zu Helden oder Märtyrern zu werden. (...)

Nach den Taliban

Die US- und die Bundesregierung argumentieren, dass der Krieg gegen Afghanistan und der beabsichtigte Sturz der Taliban primär der Terrorbekämpfung dienten. (...) Aber nicht jede Unterstützung Ussama Bin Ladens oder anderer Terroristen kann zum Krieg gegen die Unterstützer führen. (...) Es gilt, zwischen den Verbrechern und jenen, die sich nicht von ihnen distanzieren, sie unterstützen oder sie gar benutzen, zu trennen. Der Krieg tut gerade das Gegenteil, er schmiedet beide zusammen und treibt ihnen Sympathisanten zu.

(...) Der gegenwärtige Krieg trägt nichts dazu bei, eine stabile, tolerante und funktionierende Regierung in Afghanistan zu ermöglichen. Die Strategie, gemeinsam mit der „Nordallianz“ als Bodentruppe zur Ergänzung der Luftangriffe die Taliban zu stürzen, eröffnet mehr Risiken als Chancen. (...) Ein Sieg der Nordallianz würde zum Kampf der Sieger untereinander führen und zum dauernden Widerstand der Mehrheit der afghanischen Bevölkerung, der Paschtunen, gegen diese Allianz der ethnischen Minderheiten. Gegen oder ohne die Paschtunen ist Afghanistan aber nicht zu regieren, von einer friedlichen Entwicklung ganz zu schweigen. Andere Akteure, die eine Alternative zur „Nordallianz“ bilden könnten, sind nicht in Sicht. Damit fehlt der Kriegsstrategie (...) die entscheidende Voraussetzung zum Erfolg: eine soziale und politsche Basis im Land. (...)

Alternativen

Der Krieg in Afghanistan ist ein Spiel mit dem Feuer, das neue Probleme schafft. Wir brauchen stattdessen – jenseits der Notwendigkeit, die Terroristen zu ergreifen – geduldige und wirksame Polizeiarbeit, die die internationalen Verflechtungen des Al-Qaida-Netzwerks offenlegt und die Gruppen dingfest macht. Ein Schlüssel dieser Aufgabe besteht in der Tat in der Verfolgung der finanziellen Transaktionen (...).

Jenseits dieser und anderer kurzfristiger Aufgaben gilt es aber vor allem, politische Maßnahmen zu ergreifen, die eine Schwächung und Bekämpfung der Terrors erleichtern. Hier wäre etwa an der massiven Stärkung eines internationalen Strafgerichtshofes zu denken, der von allen akzeptiert und handlungsfähig gemacht werden sollte. (...)

Schließlich geht es insbesondere um Anstrengungen, das Umfeld aller Formen politischer Gewalt auszutrocknen. (...) Auch wenn viele Terroristen gerade nicht zu den Ärmsten der Armen gehören, so instrumentalisieren sie doch die Armut und Verzweiflung vieler Menschen in der Dritten Welt für ihre Zwecke. (...)

Schließlich kommt es darauf an, der Gefahr eines globalen Konfliktes der Kulturen endlich einen ernsthaften Dialog der Kulturen entgegenzusetzen.(...)

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