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Netz-Sicherheit ist Illusion

■ Nach den Attentaten in den USA: Surfen im world wide web ist riskant – warnt das Bremer Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung

New York hat es gezeigt: Wir leben in einer Risikogesellschaft. Das sollen wir erkennen – und lernen, mit der Unsicherheit zu leben, fordert das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF). Deshalb wendet sich die Bremer Regionalgruppe des Forums in einem Diskussionspapier gegen das Vorgaukeln von „falschen Sicherheiten“ durch die Einteilung der Welt in „Gut und Böse“ oder die Einschränkung der Grundrechte im Zuge von voreiligem Sicherheitsaktivismus.

Den Informatikern liegt sehr viel an der Wahrung des „Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung“ – sprich: Datenschutz. Zum Beispiel solle auf keinen Fall die Verwendung von Verschlüsselungen im Internet verboten werden. „Leute wie du und ich machen das dann nicht mehr, professionelle Attentäter scheren sich aber wahrscheinlich wenig darum, sich noch durch illegale Verschlüsselung strafbar zu machen“, erläutert dazu Ralf E. Streibl, Informatiker an der Uni Bremen.

Außerdem sei es heute bereits möglich, Verschlüsselungen so in Grafiken einzubetten, dass sie gar nicht mehr als Codes erkannt werden könnten.

Die Gruppe warnt vor dem Versuch, durch die Nutzung neuer, hochkomplizierter Kommunikations- und Informationstechniken, zum Beispiel bei Polizei und Geheimdiensten, mehr Sicherheit zu erreichen. „Ich glaube die Menschen neigen heute dazu, der Technik zu sehr zu vertrauen“, so Streibl.

Oft sei es so, dass gerade in der Technik Faktoren der Unsicherheit vorhanden seien. Dem blinden Vertrauen entgegenzuwirken sei eines der Ziele des FIfF.

Dazu gehört zum Beispiel, Hans und Otto nochmals klar zu machen, dass fast alles, was sie im Internet so machen, öffentlich ist und dass es zum Beispiel nicht besonders sinnvoll ist, „auf der eigenen Homepage zu erzählen, dass man sich schon sooo auf den Urlaub in Norwegen in drei Wochen freut – und sich dann zu wundern, wenn das Haus bei der Rückkehr leergeräumt ist“, illustriert Streibl.

Wer sich im Internet bewegt, in Newsgroups diskutiert, e-Mails schreibt, der macht es möglich, dass andere Menschen oder Firmen ein User-Profil erstellen, in dem vom Wohnort über den Beruf bis zu den Hobbies und Vereinsaktivitäten alles drin ist. „Diese Vernetzung von Daten ist kritisch, die hat es vor dem Internet nicht gegeben“, sagt Streibl.

Außerdem gehört dazu, dass ein Informatiker Verantwortung für das Produkt seiner Arbeit übernimmt. Als großes Vorbild in dieser Hinsicht erhielt der Informatiker David Parnas von der McMaster University in Hamilton, Canada den FIfF-Preis, der ihm im Rahmen der diesjährigen FIfF-Jahrestagung in Bremen verliehen wurde. Bekanntestes Beispiel hierfür war sein Ausstieg aus dem SDI-Ausschuss der USA 1985. „Parnas hatte vor der technischen Unmöglichkeit desselben Raketenabwehrsystems gewarnt, das heute wieder von der Bush-Administration finanziert wird“, heißt es in der Begründung. Aus dieser zunächst technisch begründeten Kritik Parnas' seien zunehmend auch inhaltliche Zweifel gewachsen, erläutert Streibl.

Auch auf andere Bereiche lässt sich die Thematik beziehen: „Wenn ich nicht garantieren kann, dass die Software, die ich für ein Atomkraftwerk oder eine Chemiefabrik schreibe, hinreichend sicher läuft, dann kann ich sie nicht einfach irgendwie zusammenstricken, sondern muss die Grenzen aufzeigen und es lassen“, sagt Streibl.

Für die Informatiker in Bremen heißt Verantwortung aber auch: Keine Rüstungsforschung an unserer Uni. Seit der AStA im Juni die Uni-Leitung mit Vorwürfen konfrontierte, dass Hirnforscher und Informatiker möglicherweise an Rüstungsprojekten beteiligt seien, ist das großes Diskussionsthema in Bremen. Eine direkte Beteiligung gebe es nicht, versichert Streibl. Problematisch sei die Frage, wie verhindert werden könne, dass Ergebnisse ziviler Forschungsprojekte für militärische Zwecke verwendet werden. Die Bremer Informatiker kooperieren nämlich durchaus mit Firmen, „die auch Wehrtechnik machen. Sonst hätten wir in und um Bremen nämlich fast gar keine Kooperationspartner“, so Streibl. Es gehe nun darum, Zeichen zu setzen und alle Möglichkeiten zu nutzen, um Missbrauch zu vermeiden.

Die FIfF-Mitglieder sehen aber nicht nur die Informatiker-Seite der Problematik. Genau wie die vielen anderen kritischen Stimmen zur Zeit spricht sich das FIfF aus gegen den Krieg, gegen die Einschränkung der Freiheit, gegen Diskriminierung, und sie haben Visionen von einer besseren, gerechteren Weltordnung, in der alle Menschen dieser Welt gleich sind. Verantwortung lässt sich nicht auf Fachgebiete beschränken.

Vivien Mast

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