: Big-Brother-Preis für Datensünder
Negativauszeichnung für Firmen, Institutionen und Personen, die die Privatsphäre von Menschen verletzen oder Daten weitergeben. Die „Preise“ gingen unter anderem an Berlins Innensenator, das Ausländerzentralregister und die Bahn
von THOMAS BROCK
Nein, der „Big-Brother-Award“, der gestern in Bielefeld vergeben wurde, hat nichts mit irgendeiner Fernsehshow zu tun. Vielmehr richtet sich der „Preis“ an Institutionen, Firmen und Organisationen, die in besonderer Weise „die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen“. 1998 wurde der Preis erstmals in Großbritannien von der Bürgerrechtsbewegung „Privacy International“ vergeben.
In der ersten deutschen Jury saßen unter anderem der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein und der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz.
Im Bereich Business und Finanzen ging der Hauptpreis an den „Payback Rabattverein e.V.“, der im Auftrag großer Unternehmen arbeitet und Rabattkarten an die Verbraucher ausgibt.
Egal ob beim Surfen mit AOL, beim Tanken bei DEA oder beim täglichen Shopping im Realmarkt um die Ecke – das kleine handliche Plastikkärtchen Payback ist überall dabei, dem Kunden winken Rabatte. „Payback kommt als Rabattkarte daher, dient aber einzig dazu, personalisierte Daten zum Kaufverhalten von Tausenden von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gewinnen und kommerziell zu nutzen, ohne dass diese darüber informiert werden“, heißt es in der Begründung der Jury.
In der Kategorie Politik wurde der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) mit einem „Big Brother“-Preis bedacht. Werthebach, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wurde exemplarisch für die geplante Erweiterung und Erneuerung der Telefonüberwachungsanlagen nominiert. Die Jury befürchtet durch die Ausweitung eine Aushöhlung des Fernmeldegeheimnisses. Zur gestrigen Preisverleihung erschien Werthebach nicht.
Aus dem Bundesverwaltungsamt in Köln, gekürt für sein Ausländerzentralregister, kam lediglich eine knappe Stellungsnahme, in der es heißt: „Das Ausländerzentralregister ist eine rechtsstaatliche Einrichtung, die gemäß gesetzlichem Auftrag durch die Speicherung und Übermittlung von Daten von Ausländern andere Behörden bei der Erfüllung ausländer- und asylrechtlicher Aufgaben unterstützt.“ Dass die Erfassung ausschließlich von Ausländern jedoch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, erwähnten die Beamten nicht.
Der Preis in der Kategorie Kommunikation ging an den Freemailanbieter GMX, wegen Nachlässigkeit im Umgang mit Kundendaten. Erst verloren 118.000 Kunden ihre Post, weil intern an der Software gearbeitet wurde, dann wurde die Passwörter 1.625 Kunden von außen geändert. Grund genug zu der Annahme, dass GMX die Daten der Nutzer unzureichend sichert.
In der Rubrik Behörden und Verwaltung wurde die Deutsche Bahn AG ausgezeichnet. Damit soll auf die undurchschaubare Gemengelage und fehlende Kontrollinstanzen der Videoüberwachung auf den Bahnhöfen aufmerksam gemacht werden.
Die Veranstalter betonten, die Verleihung des Preises sei nicht dazu gedacht, populäre Feindbilder zu schaffen, sondern eine öffentliche Diskussion um Probleme im Zusammenhang mit der Datenflut im Informationszeitalter anzuregen. Erst mit der Ausbreitung des Internets würden viele Menschen ahnen, welche Gefahren das Sammeln und Verknüpfen von Daten in sich bergen kann. Die technischen Möglichkeiten, elektronische Daten auszuwerten, würden immer mehr Firmen dazu verführen, diese Instrumente zu missbrauchen. Deutschland habe zwar ein gutes Datenschutzgesetz, so der Datenschützer Thilo Weichert, doch existierten viele „Lücken und Schlupflöcher“.
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