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Abschiebung: Vier Mal ist Bremer Recht

■ Bremen wird zur Abschiebe-Drehscheibe für schwierige Fälle / Pakistaner wurde im vierten Versuch ohne gültige Papiere abgeschoben / Nun holen ihn die niederländischen Behörden zurück

Bremen führt in Amtshilfe Abschiebungen für andere Bundesländer durch. Wenn andere Flughäfen abwinken, weil die Papiere nicht in Ordnung sind, ist in Bremen immer noch etwas zu machen: Der Bremer Bundesgrenzschutz nimmt es mit dem Völkerrecht nicht so genau und kleinere ansässige Fluggesellschaften nehmen im Kampf um jeden Passagier auch unfreiwillige Fluggäste mit – zumindest bis zum Zwischenstopp im europäischen Ausland.

Der jüngste Fall ist der von Ifti-khar Ahmad: Der Pakistaner hatte 1998 in Rheinland-Pfalz Asyl beantragt, weil er in seiner Heimat als Angehöriger der religiösen Minderheit der Ahmadier verfolgt wird. Sein Antrag scheiterte, die Ehe mit einer aufenthaltsberechtigten Pakistanerin wurde von den deutschen Behörden nicht anerkannt. Obwohl ein Asylfolgeverfahren immer noch läuft, betrieb die Ausländerbehörde in Bernkastel-Wittlich die Abschiebung. Das Problem: Es liegen keine Reisedokumente des Heimatlandes vor, die für Abschiebungen völkerrechtlich erforderlich sind. Am nahe gelegenen Frankfurter Flughafen hätte man mit so einem Fall keine Chance gehabt – der BGS fertigt dort nicht ohne korrekte Papiere ab. Also wurde Ahmad am 17. August verhaftet und nach Bremen überstellt, wo die Praxis bekanntermaßen lockerer ist.

Hier begann eine wahre Odyssee für den 26-Jährigen: Nach vier Tagen sollte er zum ersten Mal abgeschoben werden. Mit Tyrolean Airways ging es nach Wien. Dort leis-tete Ahmad im Transitbereich Widerstand. Mit Erfolg: Nacheinander weigerten sich Flugkapitäne von Austrian Airlines und Turkish Airlines, den widerspenstigen Fluggast mitzunehmen – bei den seriösen Fluggesellschaften mittlerweile durchaus üblich. Unverrichteter Dinge mussten die BGS-Beamten mit Ahmad nach Bremen zurückkehren. Drei Tage später wiederholt sich das Geschehen, abends sitzt Ahmad wieder im Bremer Abschiebegewahrsam.

Doch das Ausländeramt von Bernkastel-Wittlich gibt nicht auf: für den 13. September wird eine Abschiebung über Amsterdam vorbereitet. Dort ruft Ahmad im Transitbereich laut „Asyl“. Zwei BGS-Begleiter werfen sich auf ihn und drücken ihn zu Boden. Erst niederländische Beamte können sie zur Seite ziehen und erinnern sie, dass sie im Ausland sind. Mit Hilfe einer von Deutschland aus alarmierten Anwältin versucht Ahmad einen Asylantrag zu stellen. Der wird aber abgelehnt – aufgrund einer „stillschweigenden Vereinbarung“ mit den deutschen Behörden. Wieder geht es zurück nach Bremen.

Der vorerst letzte Anlauf: Am vergangenen Mittwoch soll ein Haftprüfungstermin vor dem Verwaltungsgericht stattfinden. Am Vortag wird dieser von 10 auf 14 Uhr verschoben. Als Ahmads Anwältin erscheint, ist niemand da. Erst nach mehrstündiger Recherche erfährt sie, dass ein neuer Abschiebeversuch läuft. Ihr Mandant ist in einer eigens dafür gecharterten Propellermaschine auf dem Weg von Bremen nach Kopenhagen. Dort versichern die BGS-Beamten ihren dänischen Kollegen, seine Papiere seien „in Ordnung“, sie können passieren. In Wirklichkeit fungiert als Identitätsnachweis eine Heiratsbescheinigung, die ein ahmadischer Geistlicher in Frankfurt ausgestellt hat – ohne Foto.

Es geht mit Pakistan Airlines weiter nach Karachi. Dort gibt es Probleme: Normalerweise könnte ein Bakschisch die Grenzer dazu bewegen, Ahmad auch ohne Papiere einreisen zu lassen. Aber die Behörden sind von einem deutschen Unterstützer Ahmads vorgewarnt. Das pakistanische Innenministerium muss entscheiden, ob Ahmad nach Deutschland zurückgeschickt wird. Die BGS-Beamten mussten daraufhin am Freitag im Transit warten.

Nach Europa wird Ahmad in jedem Fall zurückkehren: Die niederländische Anwältin hat einen Gerichtsbeschluss erwirkt, nach dem er Anspruch auf ein neues Asylverfahren in den Niederlanden hat und dafür zurückgeholt werden muss, berichtet die Amsterdamer Zeitung Trouw.Jan Kahlcke

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