: Sitz im rechten Kirchenschiff
Erzkonservativer Initiativkreis katholischer Laien verweigert sich dem Katholikentag: Ganze Richtung passt ihm nicht ■ Von Peter Ahrens
Es gibt kaum jemanden, der sich selbst als noch katholischer bezeichnen würde. Egmont Schulze Pellengahr fühlt sich ein bisschen wie ein Gralshüter des Katholizismus, einer, der sich „die Verbreitung und Verteidigung der Lehre der katholischen Kirche nach den Weisungen der Päpste und der mit ihnen verbundenen Bischöfe“ auf die Fahne geschrieben hat. Und so einer ist beim Katholikentag nicht dabei, er boykottiert ihn sogar. Der „Initiativkreis katholischer Laien und Priester“ IKL, dem Pellengahr in Hamburg vorsteht, verzichtet auf eigene Veranstaltungen, ihm passt die ganze Richtung nicht. Das Bedauern der Veranstalter hält sich in Grenzen.
Pellengahr hat für Kirche von unten, für Veranstaltungen wie gemeinsame katholisch-evangelische Gottesdienste, für Kirchentagsdebatten über die Guerilla in Lateinamerika und Frauen als Priesterinnen nur Verachtung über. „Eine gewisse Einseitigkeit“ attestiert er dem Kirchentag: „Wir betrachten die Veranstaltung grundsätzlich skeptisch.“ Zu wenig Papsttreue, zu wenig Tradition, zu wenig althergebrachte Liturgie – der Initiativkreis fühlt sich ausgegrenzt. Und als die Kirchentagsleitung dann noch eine Veranstaltung des IKL ablehnte, zogen die Vatikantreuen die Konsequenz und verweigern sich der Großveranstaltung.
Der IKL hatte Pater Andreas Hönisch, den Gründer der so genannten Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE), als Referenten vorgeschlagen. Die KPE und die ebenfalls von Hönisch initiierte Petrusbrüderschaft werden selbst vom Vatikan als „extrem konservativ“ eingeschätzt. Hönisch setzt sich dafür ein, die Messfeiern nach streng traditionellem Ritus zu lesen. Jegliche progressive Strömung wird abgelehnt, Ökumene verurteilt.
Damit liegt er zwar auf einer Wellenlinie mit Pellengahr, der bei der Ökumene „einen vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Evangelischen Kirche“ beklagt, für den Pressesprecher des Katholikentages, Theodor Bolzenius, ist Hönisch jedoch jenseits einer Grenze angesiedelt, „die wir nicht überschreiten“. Den IKL bezeichnet er als „winzige Splittergruppe“, allerdings sei es „schon bedauerlich, dass der Initiativkreis den Dialog verweigert, wenn er am Katholikentag nicht teilnimmt“.
Das Erzbistum distanziert sich zwar nicht vom IKL, Bistumssprecher Manfred Nielen sagt jedoch: „Es gibt da kaum Kontakte.“ Ohnehin fährt das Erzbistum eine zurückhaltende Linie, was konservative bis reaktionäre Organisationen unter dem katholischen Dach anbetrifft. Zu dem umstrittenen Orden Opus Dei, der auch in Hamburg seit Jahren aktiv ist, hat Weihbischof Hans-Joachim Jaschke in einem Brief an die nordelbische Bischöfin Maria Jepsen mitteilen lassen: „Die Vereinigung des Opus Dei ist eine Gruppe im Raum der Katholischen Kirche und im Rahmen der gesittlichen Bewegungen anerkannt.“ Weiter heißt es: „Wie auch mit anderen Gruppen feiert Weihbischof Dr. Jaschke mit der Hamburger Gruppe des Opus Dei zu gegebenen Anlässen Gottesdienst. In ähnlicher Weise verfährt Erzbischof Averkamp.“ Sowohl Ludwig Averkamp als auch Jaschke „respektieren die von der Katholischen Kirche anerkannten Gruppen“.
200 Mitglieder hat der IKL nach Pellengahrs Aussage in Hamburg, man sieht sich „auf der Seite des Heiligen Vaters“. Evangelische Bischöfinnen wie Maria Jepsen werden von Pellengahr „überhaupt nicht ernst genommen“, und er ist überzeugt, dass zahlreiche katholische Bischöfe genauso denken wie er, „auch wenn sie das öffentlich nicht sagen dürfen“. Für ihn steht jetzt schon fest, dass der IKL am kommenden gemeinsam katholisch-evangelischen Kirchentag in Berlin nicht teilnehmen und stattdessen „etwas Eigenes aufziehen wird“. Diskussionen wie die um schwule Priester in der Kirche „verstehe ich einfach nicht mehr“, sagt Pellengahr.
Wolfgang Finsterer versteht sie dagegen umso mehr. Er ist regionaler Ansprechpartner der Initiative Homosexuelle und Kirche. Es gebe auch im Erzbistum eine ganze Reihe von Priestern, sagt er, die ihr Schwulsein im Verborgenen ausleben müssen. Offiziell existiert das Thema nicht, denn durch das Zölibat sind die Priester ohnehin zu sexueller Enthaltsamkeit verpflichtet. „Je höher man in der Amtskirche steigt, desto weniger wollen die Leute etwas von dem Thema wissen“, hat er erfahren. „Da wird der Mantel des Schweigens drüber ausgebreitet“, immerhin werde inzwischen zumindest akzeptiert, dass es schwule Seelsorger überhaupt gebe: „Man darf schwul sein, man darf nur nicht schwul leben.“
Einem Egmont Schulze Pellengahr ginge das schon viel zu weit.
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