: Der Putsch in Chile
Der Mann mit den dick umrandeten Brillengläsern und dem väterlichen Lächeln ist ein Symbol: Salvador Allende, Sozialist, chilenischer Präsident von 1970 bis 1973. Als Kandidat des Volksfrontbündnisses Unidad Popular gewinnt er am 4. September 1970 die Präsidentschaftswahlen in Chile.
Zum ersten Mal scheint es zu gelingen, über demokratische Wahlen eine sozialistische Gesellschaft zu etablieren. Auch wenn dem Präsidenten und seiner Unidad Popular bis zuletzt die absolute Mehrheit im chilenischen Parlament fehlt und die Sozialisierungspläne nur schwer gegen die vereinte liberale und rechte Opposition durchzusetzen sind, weckt das Projekt eines demokratischen Sozialismus große Hoffnungen bei der Linken – weltweit.
Die USA dagegen wollen um jeden Preis verhindern, daß nach Kuba ein zweiter lateinamerikanischer Staat das kapitalistische Lager verläßt. Der CIA fördert nach Kräften die in Chile ohnehin bereits in den Reihen des Militärs schwelende Konspiration gegen Allende. Wichtigster Bündnisgenosse der CIA ist Augusto Pinochet Ugarte, der erst wenige Wochen zuvor von Allende zum Heereschef ernannt worden ist.
Im Morgengrauen des 11. September 1973 startet der lange geplante Putsch. Marineeinheiten besetzen die Hafenstadt Valparaiso, die Armee kreist die Hauptstadt Santiago ein, linke Radiostationen werden übernommen, erste Schüsse fallen. Die Putschisten fordern den Rücktritt Allendes. Als der ablehnt und erklärt, er werde die „Moneda“, den Präsidentenpalast in Santiago, nicht verlassen, kündigen die Militärs einen Luftangriff auf das Gebäude an. In einem Funkspruch sagt Augusto Pinochet: „Ist der Hund tot, stirbt auch die Tollwut aus.“ Die ersten Bomben lassen den Widerstand von ArbeiterInnen und StudentInnen zusammenbrechen. Am 11. September um 12 Uhr mittags fällt im Büro des Präsidenten ein Schuß – Salvador Allende ist tot. Ob er sich selbst erschießt oder hingerichtet wird, ist bis heute ungeklärt. Nur einen halben Tag dauert es, und der chilenische Sozialismus-Versuch gehört der Vergangenheit an.
Noch am Tag der Machtübernahme beginnt die Militärjunta, die Opposition rücksichtslos zu verfolgen. Bis zum Ende der Pinochet-Diktatur im Jahre 1990 lassen über 3.000 Menschen ihr Leben in den Gefängnissen und Lagern des Regimes oder werden von den Agenten des berüchtigten Geheimdienstes DINA entführt und ermordet. Mehr als tausend verschwinden spurlos.
Hunderttausenden ChilenInnen bleibt nur die Flucht ins Exil. Viele von ihnen finden Aufnahme in der DDR. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, die sich nie zu einer Verurteilung des Putsches und der Diktatur entschließt, bezieht die Regierung in Ostberlin klar Stellung gegen die Junta. Daß das demokratische Chile dem früheren DDR- Staats- und Parteichef Erich Honecker für die letzten Monate seines Lebens Asyl gewährt, ist nicht zuletzt eine Geste des Dankes. Joachim F. Tornau
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