Zwischenfall in französischem Atomkraftwerk: Neue Panne in Tricastin
Im Atomkraftwerk Tricastin in Südfrankreich haben sich zwei Brennstäbe beim Entladen verklemmt. Wann sie sicher herausgeholt werden können, ist unklar. Atomkritiker warnen vor einer Verstrahlung
Es ist ein Zwischenfall jener Art, wie es sie in der hochsensiblen Atomindustrie gar nicht geben darf: Zwei Brennstäbe haben sich verklemmt. Beim Entladen. Es geschah am 8. September um 10.30 Uhr im Atomkraftwerk Tricastin in Südfrankreich. Seither stecken die rund 700 Kilogramm schweren und mehr als vier Meter langen Brennelemente auf drei Viertel ihrer ursprünglichen Höhe fest. Die "Produktionseinheit Nummer zwei" - einer von vier Reaktoren im AKW Tricastin - steht still. Und der Betreiber, der französische Stromkonzern EDF, hat knapp sechs Wochen danach immer noch keinen Termin genannt, zu dem die Brennstäbe unter sicheren Bedingungen herausgeholt werden sollen.
Die fraglichen Brennstäbe sind 2 von insgesamt 157 in dem Reaktor. Sollten sie abstürzen, könnten sie auf andere Brennstäbe fallen. Zerbrechen. Und dabei radioaktive Strahlung freisetzen. Die möglichen Folgen sind unklar. Nach Ansicht der Nuklearen Sicherheitsbehörde ANS könnte es zu Strahlung "im Inneren" des Atomkraftwerkes kommen. Nach Einschätzung des Strahlensicherheitsinstitutes IRNS könnte sie auch in die Umwelt austreten. Bliebe jedoch "extrem schwach". AtomkritikerInnen hingegen halten auch die Gefahr von größeren Verstrahlungen für möglich. Die Organisation "Sortir du Nucléaire" hat deswegen EDF und ANS schriftlich aufgefordert, den Termin für die Bergung der beiden Brennstäbe zu veröffentlichen. Sprecher Stéphane Lhomme: "Dann können AnwohnerInnen des Atomkraftwerks selber entscheiden, ob sie zu Hause bleiben. Oder sicherheitshalber lieber weit wegfahren." Bislang hat EDF keinen Termin genannt. Am 25. Oktober organisiert "Sortir du Nucléaire" eine Demonstration in Tricastin.
Im Reaktorkern des AKW Tricastin befindet sich angereichertes Uran, aber auch MOX-Brennstoff. Ein erster Versuch, die beiden verklemmten Brennstäbe zu befreien, ist bereits gescheitert. Nach dem Zwischenfall vom 8. September, der bei routinemäßigen Wartungsarbeiten geschah, hatte EDF zunächst erklärt, rund zwei Wochen seien nötig, um das Problem zu beheben. Seither hat EDF einen Roboter aus den USA kommen lassen, um die Brennstäbe zu bergen. Doch die ANS, die die Arbeiten überwacht, brach den Versuch ab. Laut ANS waren "die Berechnungen von EDF nicht sicher". Und es sei unklar gewesen, ob die Brennstäbe gefahrlos in eine korrekte Position gebracht werden konnten.
Wieso die Bergung der beiden Brennstäbe so lange dauert, ist ein Rätsel. Bereits vor zehn Jahren hatte es im französischen AKW Nogent einen ähnlichen Zwischenfall gegeben. Allerdings war in Nogent nur ein Brennstab verklemmt. In Nogent benötigte die EDF 20 Tage, um das Problem zu bewältigen.
Auch in anderer Hinsicht ist das Verhalten der EDF problematisch. Im Sommer hatte Umweltminister Jean-Louis Borloo nach einer Pannenserie in französischen Atomanlagen Transparenz versprochen. Doch nun schweigt EDF - auch gegenüber der taz - wieder in der üblichen Eloquenz.
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