Negative Preise an der Energiebörse: Geld vom Stromanbieter
Wenn der Wind kräftig bläst, können Unternehmen bald Geld dafür bekommen, dass sie Strom verbrauchen. Auch Privatleute sollen profitieren - irgendwann.
FREIBURG taz An der Strombörse EEX in Leipzig werden ab dem 28. April auch negative Strompreise möglich sein. Es kann also künftig vorkommen, dass Stromkäufer im Großhandel Geld dafür bekommen, dass sie Elektrizität abnehmen.
Hintergrund ist die zunehmende Einspeisung von Windkraft in Deutschland. Schon jetzt passiert es bei starkem Wind und geringer Nachfrage, dass der Strompreis am Spotmarkt auf null sinkt, weil Strom kurzfristig im Überfluss vorhanden ist. Negative Preise jedoch waren bislang technisch nicht möglich. Auf Wunsch der Stromerzeuger wurde diese Möglichkeit an der EEX nun geschaffen.
"Es kann für einen Kraftwerksbetreiber billiger sein, dem Abnehmer des Stroms noch Geld zu bezahlen, als ein Kraftwerk kurzfristig herunterzufahren", erklärt ein Sprecher des Stromkonzerns RWE. Großkraftwerke seien für den Ausgleich der zunehmend auftretenden Leistungsschwankungen nicht geschaffen. Daher seien im außerbörslichen Stromhandel "negative Preise längst gang und gäbe". Wie negativ der Strompreis werden könnte, darüber schweigt sich die Branche aus. Das seien sensible Daten, heißt es.
Andere Strombörsen kennen einen solchen negativen Preis bislang nicht. Dass Deutschland nun vorangeht, hängt damit zusammen, dass hier mehr Windstrom erzeugt wird als in jedem anderen Land. Die hierzulande installierten Windkraftanlagen erreichen eine Nennleistung von mehr als 22.000 Megawatt.
Bei solchen Windleistungen liegt es nahe, dass an stürmischen Tagen Stromüberschuss herrscht. Denn vor allem die Produktion der Atomkraftwerke lässt sich nicht kurzfristig drosseln. Auch bei Kohlekraftwerken führt eine stark schwankende Erzeugung zu mehr Materialbelastung und höheren Betriebskosten. "Für Strom aus Kraftwerken mit sehr hohen Anfahr- und Abfahrkosten und niedrigen variablen Produktionskosten können die Grenzkosten in bestimmten Stunden negativ werden", erklärt der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Axel Ockenfels in einem EEX-Gutachten. Die Möglichkeit negativer Preise sei "daher aus ökonomischer Sicht zu begrüßen".
Die privaten Stromkunden zahlen bislang unabhängig von der Angebotslage immer den gleichen Preis. Das dürfte jedoch künftig auch anders werden. Stromversorger denken darüber nach, auch die Preise für Endkunden an die Schwankungen im Strommarkt zu koppeln. Wenn viel Wind weht, wird die Kilowattstunde auch für den Privathaushalt billiger, wenn der Strom knapp ist, wird sie teurer.
Ein Vorteil für beide: Stromkunden können Geld sparen, wenn sie ihren Verbrauch zum Teil auf günstigere Zeiten verlagern - etwa durch den überlegten Einsatz der Waschmaschine. Und die Stromwirtschaft profitiert, weil die Last im Netz gleichmäßiger wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!