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Ägyptische PräsidentenwahlGong zur zweiten Runde

Ahmed Schafik und Mohammed Mursi haben die erste Wahlrunde beinahe gleichauf gewonnen und rüsten sich für die Stichwahl. Die Muslimbrüderschaft hofiert die ausgeschiedenen Kandidaten.

„Aber Ahmed Schafik, warum hast du denn so große Hände?“ – „Damit ich besser nach der Macht greifen kann.“ Bild: dpa

KAIRO dpa | Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl in Ägypten haben sich die Lager der beiden bestplatzierten Kandidaten für die Stichwahl in Stellung gebracht. „Ich verspreche allen Ägyptern eine neue Ära“, erklärte Ahmed Schafik, ein Vertreter des alten Regimes von Ex-Präsident Husni Mubarak, am Samstag auf einer Pressekonferenz in Kairo.

Beim Urnengang am Mittwoch und Donnerstag war Schafik nur knapp hinter dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, gelandet. Am 16. und 17. Juni kämpfen die beiden Politiker um das höchste Amt im Staat. Nach dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 hatte in Ägypten der Oberste Militärrat die Macht übernommen.

Nach inoffiziellen Angaben lag Mursi mit 24,9 Prozent der Stimmen nur einen halben Prozentpunkt vor Schafik (24,4 Prozent). Wie ägyptische Medien am Samstag berichteten, umwirbt die Muslimbruderschaft nunmehr einige der in der ersten Runde unterlegenen Kandidaten. Insbesondere der linke Aktivist Hamdien Sabbahi, der völlig überraschend mit 21,1 Prozent den dritten Platz errang, und der unabhängige moderate Islamist Abdel Moneim Abul Futuh (17,8 Prozent) würden nunmehr mit „Offerten“ überhäuft.

Unter anderen sollen ihnen die Vize-Präsidentschaft und wichtige Posten in der nächsten Regierung angeboten worden sein, falls sie ihre Anhänger im Juni zur Wahl Mursis aufriefen. Die Wahlkampfstäbe beider Politiker bestreiten, dass derartige Absprachen bereits ausgehandelt worden seien.

„Eine Nation in Gefahr“

Nach außen schürt die islamische Organisation die Angst vor der Rückkehr des Mubarak-Systems in der Person Schafiks. In die Stichwahl werde ihr Kandidat Mursi mit der Parole „Eine Nation in Gefahr“ gehen, kündigte Essam al-Erian, ein Spitzenfunktionär der Bruderschaft, am Freitagabend vor der Presse in Kairo an. Nun gehe es darum, Einheit unter den politischen Kräften Ägyptens zu schaffen, „um die Revolution in Gang zu halten“.

Schafik war Mubaraks letzter Ministerpräsident. Der bedrängte Präsident hatte ihn auf dem Höhepunkt des revolutionären Aufstandes ernannt, bevor er wenig später unter dem Druck der Proteste zurücktrat. Schafik, zuvor Luftwaffen-General und Minister für zivile Luftfahrt, hielt sich danach noch einen Monat im Amt, ehe auch ihn neue Straßenproteste in Kairo zum Rücktritt zwangen.

Am Samstag gab er sich bemüht konziliant. Er werde auch mit einer von den Muslimbrüdern geführten Regierung zusammenarbeiten, sagte er angesichts des Umstands, dass die Islamisten im jüngst neu gewählten Parlament die Mehrheit haben. „Der ägyptischen Jugend sage ich“, führte er weiter aus, „die Revolution wurde usurpiert, und ich verspreche Euch, sie Euch wieder zurückzugeben.“

Aktivisten zeigten sich bitter enttäuscht über einen Wahlausgang, der den Bürgern nur noch die Wahl zwischen einem Mubarak-Mann und einem frommen Islamisten belässt. Einige von ihnen hatten die Wahl von vornherein boykottiert, andere ihre Stimme dem Linken Sabbahi oder dem mit wenig Chancen angetretenen Aktivisten Chalid Ali gegeben. „Am liebsten würde ich das Land verlassen“, sagte Amer al-Wakil, ein Koordinator der Ägyptischen Revolutionären Union, der Tageszeitung Al-Ahram mit tränenerstickter Stimme.

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2 Kommentare

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  • JP
    Jan Petersen

    Die Muslimbrüder sind der große Verlierer dieser Wahl. Nach 40 % bei der Parlamentswahl haben sie jetzt nur noch 25 % erhalten.

     

    Der eigentliche Gewinner sind die linken und liberal-islamischen Kandidaten der Revolution, die zusammen über 40 % erhalten haben. Leider haben sich ihre Stimmen aber auf mehrere Kandidaten verteilt, so dass sie nicht die Stichwahl erreichten.

     

    Jetzt bleibt Ihren Anhängern kaum eine andere Wahl, als den konservativen Kandidaten der Muslimbrüder zu unterstützen, um einen Sieg des Luftwaffen-Generals und Mubarak-Ministerpräsidenten zu verhindern.

     

    Es bleibt zu hoffen, dass die Muslimbrüder, die schon großspurig von einem Sieg im ersten Wahlgang gesprochen hatten, durch das Ergebnis etwas bescheidener werden.

     

    Ein Bündnis mit dem linken und liberalen Teil der Opposition ist für einen Sieg ihres Kandidaten jetzt unerlässlich, und die Furcht vor einer Rückkehr des Mubarak-Regimes dürfte so manche Unterschiede weniger wichtig erscheinen lassen.

     

    Vielleicht ist ein gutes Resultat dieses Wahlergebnisses, dass auf diese Weise, nach vielen Monaten der Spaltung, die im Tahrir-Platz gefundene Einheit der Opposition endlich zu neuem Leben erweckt wird.

  • JP
    Jan Petersen

    Die Muslimbrüder sind der eigentliche Verlierer

     

    von 40 % bei der Parlamentswahl sind sie auf nur noch 25 % gefallen.

     

    Eigentlicher Sieger sind die liberalen und linken Anhänger der Revolution, die über 40 % der Stimmen erreichten. Nur haben diese den Fehler gemacht, mit zwei starken Kandidaten anzutreten, die dann auf Platz 3 und 4 landeten.

     

    Jetzt bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, als den konservativen Kandidaten der Muslimbrüder zu unterstützen, um den Luftwaffengeneral und Ex-Mubarak-Ministerpräsidenten zu verhindern.

     

    Bleibt zu hoffen, dass die Muslimbrüder, die schon großspurig von einem Sieg im ersten Wahlgang geredet hatten, durch dieses Ergebnis etwas bescheidener werden.

     

    Ein gutes Zeichen ist jedenfalls, dass sie gleich am Tag nach der Wahl die liberalen und linken Kandidaten zu einem Treffen eingeladen haben, mit dem Ziel, eine Koalition zu bilden, um eine Rückkehr zur Militärherrschaft zu verhindern.