Öffentlich-Rechtliche gegen Verleger: Streit um die Spielregeln
In der Debatte um die "Tagesschau"-App ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Begrenztes Verständnis und wachsende Unsicherheit machen sich breit.
BERLIN taz | Am Tag danach gibt man sich wortkarg: Der von der taz veröffentlichte Entwurf über neue Spielregeln in der Online-Welt, auf den sich ARD, ZDF und die Zeitungsverleger einigen wollen, sei nicht der letzte Stand der Gespräche, man bitte um Verständnis.
Doch nicht nur beim NDR, der außer für die "Tagesschau" auch für tagesschau.de und die bei den Verlegern alles andere als beliebte "Tagesschau"-App zuständig ist, hält sich das Verständnis in Grenzen. Schließlich befürchten viele JournalistInnen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, dass ihre IntendantInnen ohne Not den Verlegern und ihrem Verband zu weit entgegenkommen.
Hauptkampflinie war dabei immer die "elektronische Zeitung", die vor allem die ARD mit den "Tagesschau"-Ablegern nach Meinung der Verleger im Netz unterhalte. Der Entwurf sieht grundsätzlich vor, dass sich künftig die Sender vor allem auf Video- und Audio-Angebote konzentrieren - und sich bei Texten zurückhalten. Die Verlage sollen dafür in erster Linie auf Text setzen – und sich bei Videos beschränken. Das dürfte für die meisten Online-Angebote von Zeitungen kein all zu großer Verlust sein: Videos sind teuer und bringen vor allem bei regionalen Blättern nicht sehr viel.
Doch derlei Trennung ist in der digitalen Welt eigentlich schon überholt. Für viele öffentlich-rechtliche Redakteure ist die Politik von ARD und ZDF unverständlich: Schließlich hatte der Richter beim von acht großen Verlagen gegen die "Tagesschau"-App angestrengten Prozess schon zum Auftakt im Oktober durchblicken lassen, dass Angebote wie tagesschau.de nebst App rechtlich in Ordnung gingen.
Der Prozess geht weiter
Der nächste Prozesstermin ist im März angesetzt, allerdings hatte der vorsitzende Richter selbst angeregt, dass sich Sender und Verlage um eine außergerichtliche Lösung bemühen. ARD-Juristen mögen sich aktuell auch dazu nicht äußern. Einige von ihnen, heißt es intern, sorgten sich, weil der Senderverbund hier klare Rechtspositionen preisgebe und Angebote aufgeben oder einschränken würde, die zu seinem Auftrag gehörten.
In den Redaktionen mache sich "zunehmend Unsicherheit" breit, sagte ein ARD-Mitarbeiter gestern. Immerhin sei nun der "Informationsfluss besser geworden". Beim für die "Tagesschau" zuständigen NDR hieß es auf taz-Anfrage, man äußere sich "derzeit nicht öffentlich zu dem Thema". Verleger wie Öffentlich-Rechtliche wollen bis Ende Februar einen Kompromiss erarbeiten. Ab dem kommenden Wochenende tagen die ARD-IntendantInnen in Erfurt – spätestens dann werden sie ihr Stillschweigen brechen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“