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Sigmar Gabriel über Asse"Die Grünen hat's nicht gekümmert"

Die Grünen haben sich in ihrer Regierungszeit überhaupt nicht um die Asse gekümmert, sagt SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel. Er hingegen schon ab dem 18. Lebensjahr.

"Der Umgang mit dem Atommüllendlager Asse war auch unter einer SPD-Führung im Bundesforschungsministerium nicht sachgerecht." Bild: ap
Interview von Hanna Gersmann

taz: Herr Gabriel, Sie werfen Ihrem grünen Vorgänger, Ex-Umweltminister Jürgen Trittin, Versäumnisse im maroden Atommüllendlager Asse vor. Ist das mehr als Wahlkampf?

Sigmar Gabriel: Inhaltlich habe ich überhaupt kein Problem mit Jürgen Trittin. Aber ich kann schlicht nicht zulassen, dass sich Teile der Grünen bei der Asse auf meine Kosten zu profilieren versuchen. Die Grünen haben sich in ihrer Regierungszeit überhaupt nicht um die Asse gekümmert. Jürgen Trittin hat die Stelle, die es zur Begleitung des damals zuständigen Forschungsministeriums im Umweltressort gab, gestrichen. Und er hat alles mitgezeichnet, was das Forschungsministerium zur Asse vorgelegt hat - auch das, was sich hinterher als falsch herausgestellt hat. Ich werfe ihm das gar nicht vor, ich will das nur klarstellen.

Zu Zeiten von Rot-Grün war das Forschungsministerium für die Asse zuständig - und damit Ihre Parteikollegin Edelgard Bulmahn.

Sigmar Gabriel

Der amtierende Bundesumweltminister steht nach parteiinternen Querelen auf Platz 24 der niedersächsischen SPD-Landesliste und will per Direktmandat ins Parlament.

Edelgard Bulmahn hat klugerweise den Umweltminister immer gefragt. Und Jürgen Trittin hat das, was dort an Vorschlägen erarbeitet wurde, immer gegengezeichnet. Die Unterlagen können Sie bei uns im Ministerium gerne einsehen. Trotzdem steht eines fest: Der Umgang mit dem Atommüllendlager Asse war auch unter einer SPD-Führung im Bundesforschungsministerium nicht sachgerecht.

Auch Sie haben den Atommüll-Sumpf in der Asse nicht selbst entdeckt.

Stimmt. Aber ich habe mich mit der Asse seit meinem 18. Lebensjahr beschäftigt. Was da genau los war, haben wir allerdings erst mitbekommen, als der damalige Betreiber die Schließung der Asse beantragt hat. Dann haben wir als Atomaufsicht eingegriffen und einen Statusbericht vom Land Niedersachsen gefordert. Darin sind die Probleme der Asse zum ersten Mal umfassend dokumentiert worden.

Also konnte Jürgen Trittin gar nichts wissen?

Doch, denn die Bürgerinitiativen vor Ort haben schon lange auf Schwierigkeiten hingewiesen. Als ich 2005 mein Amt antrat, habe ich gesagt: Um die Asse kümmern wir uns. Aber die Leute im Ministerium haben damals gesagt: Das lassen Sie mal schön sein, das bringt nur Ärger. Das war die Stimmungslage damals. Die allerdings habe ich für grundlegend falsch gehalten.

Was machen Sie mit den Fässern, wenn Sie Umweltminister bleiben?

Ich warne davor, dass Politiker aus der Tiefe ihres Gemüts erklären, was sie mit der Asse machen wollen. Wir werden mit den Bürgerinitiativen Kriterien entwickeln, anhand deren wir prüfen wollen, was sinnvoll ist: Verfüllen, Rausholen oder Umlagern.

Wie wollen Sie das Entsorgungsproblem lösen?

Zuallererst: Die Kosten für die Sanierung der Asse muss gefälligst die Atomwirtschaft selbst tragen. Dafür brauchen wir eine Kernbrennstoffsteuer. Und die nächste Bundesregierung muss das Verfahren für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle festlegen. Damit wir dann ergebnisoffen nach einem Standort suchen.

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12 Kommentare

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  • RR
    Rudi Ratlos

    Greenpeace: Merkel weiß seit 1996 von Sicherheitsrisiken im Atommülllager Asse

     

    Link:

    http://www.heise.de/newsticker/Greenpeace-Merkel-weiss-seit-1996-von-Sicherheitsrisiken-im-Atommuelllager-Asse--/meldung/143105

  • BG
    Bürger G.

    @ rugero:Die "Nuklearlobby" darf leider kein Endlager bauen, weil das ausdrücklich Aufgabe des Bundes ist (Das ist seit ca. 60 Jahren vertraglich festglgt). Wenn die "Nuklearlobby es hätte machen dürfen, hätten wir schon seit 30 Jahren ein sicheres Endlager (wie es andere Länder auch haben)! ;-)

     

    ...Leider wird immer wieder vergessen, dass auch die Medizin und die Forschung und die Industrie "ATOMMÜLL" produziert, der endgelagert werden muss, keiner sagt, dass die auch zur Kasse gebeten werden sollen! Des Weiteren wurde bereits für die Entsorgung bezahlt und das "ENDSORGEN" hat sich der Bund teuer bezahlen lassen, wo ist jetzt das Geld ;-)

  • M
    marina

    @ vic: in Deutschland gibt es schon lange keine partei mehr, die Die Grünen heißt (anders als in der Schweiz und in Österreich). hier heißen sie seit ca. 18 jahren

    Bündnis 90 / Die Grünen

     

    Und warum sollen sie, falls du diese meinst, das Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu verantworten haben?

  • R
    rugero

    Seit Herr Gabriel 18 ist sind ja doch schon ein paar Jahrzehnte vergangen seit der Entdeckung der Mißstände und das zeigt deutlich, daß deutsche Politiker aller Parteien nicht das geringste Interesse an einer Lösung haben. Es wird nur gelabert und vertagt.

     

    Völlig ungebreiflich warum es in Deutschland seit Jahrzehnten Atomkraftwerke gibt und kein Endlager für den Müll. Jede andere Industrie wird gezwungen selbst für eine umweltgerechte Entsorgung ihres Mülls Sorge zu tragen und bekommt große Schwierigkeiten wenn die Auflagen nicht erfüllt werden. Wie schafft es die Nuklearlobby nur über so lange Zeiträume einen Sonderstatus zu halten ?

  • TM
    Thomas Mayr

    Die Kosten für die Sanierung der Asse muss gefälligst die Atomwirtschaft selbst tragen. Dafür brauchen wir eine Kernbrennstoffsteuer.

  • MS
    M. Stocker

    Könnte es sein, dass ich für ca. 10 Jahre im Koma lag? Ich weiß nicht so recht. Vielleicht ist mir tatsächlich entgangen, dass es nach Kohl/Genscher eine Regierung gab, in der die SPD in der Opposition war. Von alledem habe ich aber rein garnichts mitbekommen.

     

    Wärs vielleicht für den schlauen Besserwisser Herrn Gabriel selbst möglich gewesen, dem damaligen Umweltminister erst einen Tipp zu Asse, und später, wenn der alle Warnhinweise ignoriert, einen öffentlichen Tritt zu verpassen, anstatt jetzt, nach weiteren Jahren der großen Koalition, in der Gabriel sich weder durch besonders kritisches Verhalten gegenüber den Atomenergie-Fans noch auf sonst einem Gebiet hervorgetan hat, mit dem Finger auf die Grünen zu zeigen?

     

    Die SPD bettelt um Schläge! Keine Sorge, sie wird sie im September von den Wählern bekommen.

  • O
    Onsom

    Auch wenn mir Tritin lieber ist als Gabriel, und ich Gabriel nie wirklich den Öko abgekauft habe, muss ich doch sagen, gemessen an seiner Politk ist er ein guter Minister.

  • J
    jochen

    ... also als Ministerpräsident von Niedersachsen hätte er da auch schon mal brüllen können. Und als im Frühjahr die Kostenübernahme durch den Steuerzahler durch den Bundestag ging hat er leider auch kein Veto eingelegt - schon da war klar, von wem der Müll stammt und das es sich mitnichten um eine Forschungseinrichtung des Bundes gehandelt hat.

  • V
    vic

    Nicht ganz falsch.

    Die Grünen haben das MIT zu verantworten. Ebenso "Umweltministerin" Merkel unter Kohl.

    Aber im Fall Asse waren die Widrigkeiten schon so früh bekannt und dokumentiert, dass hier nicht irgendjemand, sondern alle verantwortlich sind.

  • D
    Diether

    Was soll die Diskussion? Es gibt kein Endlager auf der Erde. Atomkraftwerke müssen schnellstmöglich abgeschaltet werden.

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    Gegenüber J. Trittin nicht ganz fair, finde ich.

     

    Aber recht hat er, darauf hinzuweisen, dass diese sogenannten "Endlager" nach aktuellem Stand der Rechtslage der Allgemeinheit allein in diesem Jahrhundert noch zweistelliger Milliardensummen kosten werden (für die nächsten 1 Mio Jahre sind Prognosen freilich noch zu früh), um nur die monetär bezifferbaren "Kosten" zu nennen.

  • BB
    Bodo Bender

    Leider hat Gabriel nicht unrecht - womit er selbst nicht entlastet ist.

     

    Alle Parteien, CDU, SPD, Grüne und FDP, waren durch zeitweilige Regierungsverantwortung in Niedersachsen und im Bund mit der Asse befasst.

     

    Und es erweist sich das, was wir von den anderen Parteien eh schon wissen: Wenn die Grünen erst einmal in irgendwelchen Regierungsboten sitzen, lassen sie eben auch ihre einstigen Grundprinzipien kräftig zu Wasser resp. lassen sie über Bord gleiten.

     

    Für die Politiker allen Parteien gilt das Prinzip: Verschiebe die Lösung eines Problems, von dem Du eh weißt, dass es in Deiner Regierungszeit nicht zu erledigen ist, bis Du selbst nicht mehr in Regierungsverantwortung bist, und kippe es dann Deinem Nachfolger vor die Füße - natürlich unter großer Empörung! Die Grünen machen's nicht anders.