die wahrheit: Der Stasi-Jesus
Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Joachim "Behörde" Gauck.
Donnerstag, 3. Juni nach Christi Geburt: Deutschland hatte seinen Erlöser gefunden. Ein neuer Heiland ging strahlend am Himmel auf, der über alle Gräben die Hände zusammenwachsen ließ. Fürwahr: Jesus war wiederauferstanden, nur in einer besseren, entschiedener gegen die Stasi Position beziehenden Version.
Wahrlich: Auf allen Kanälen platzten die Menschen vor Freude, als Joachim Gauck, wie er mit irdischem Namen heißt, zum Kandidaten für den hohen Stuhl des Bundespräsidenten erkoren ward. "Ein zweiter Arminius ist auf die Bühne geritten!", schrieben Spiegel, Zeit und Sport-Bild mit einer Zunge. Schon werden erste Wunder berichtet: Im pfälzischen Gaugrehweiler konnte ein Blinder plötzlich gehen. Im niedersächsischen Dorf Achim wurde der kleine Jo (5) nachts von einem Panzer überrollt und war doch kerngesund, als er schweißgebadet aufwachte. Und schon am Samstag nach dem 3. Juni hatte eine Frau irgendwo im Land sechs Richtige im Lotto, die noch nie sechs Richtige im Lotto hatte.
Allein die Linke, die in der Bundesversammlung am 30. Juni das Zünglein an der Wahl bilden könnte, rudert nicht in der allgemeinen Begeisterung mit, sondern bespöttelt den gelernten Kirchenmann als "den Weg, die Wahrheit und ziemlich daneben". Zu fest sitzt die Wut, die Gaucks Kampf gegen das dick aufgequollene Unrecht von Stasi, DDR und Kommunismus bei der Partei entfacht hat, die nach seiner festgebackenen Meinung in ihrer Vergangenheit aus Stasi, DDR und Kommunismus festsitzt.
Dass der Kommunismus auf krummen Beinen steht, hatte der Sohn eines Nazi-Marineoffiziers gleich 1949, als die DDR in Gang gebracht wurde, im Vollbesitz seiner damals neun Lenze durchschaut, wie er 50 Jahre später offen und ehrlich bekannte. Da Gauck seinen Kopf nicht in die FDJ trug und sowieso kein proletarisch schmeckendes Elternhaus hatte, wurde sein Berufswunsch Journalist nach dem Abitur von der Staatsmacht erstickt.
Wäre sein Dachstübchen so oppositionell gestrickt gewesen, wie es das nach 1989 vor der Wende gewesen sein soll, so ersparte ihm das eine Zukunft in gesiebter Luft. Egal! Gauck fand sein Ventil in der Theologie und verdingte sich ab 1967 als Pfarrer, so dass er einerseits als Gemeindepastor und Stadtjugendpfarrer in Rostock geschickt am Rand des Staates existierte, andererseits gemeinsam mit dessen Repräsentanten als Leiter der Mecklenburger Kirchentagsarbeit die eine und andere Strippe zog.
1989/90 hatte er die Nase an der richtigen Stelle und rutschte ohne Mühe auf die sichere der beiden Seiten. Er hängte das Pfarrhaus an den Nagel und ließ Gott Gott sein, die Ehefrau ziehen, die sterbende DDR hinter sich und den goldenen Westen am Horizont aufgehen, begab sich in die Politik und wurde zum Lohn nach erfolgreich hingezwiebelter Wiedervereinigung zum Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen erhöht.
Nun drehte er den Spieß um und gründete als Nachfolgerin des Ministeriums für Staatssicherheit die "Firma Horch und Gauck". Indem sie mit eisernem Besen den Verdacht auf Mitarbeit jedes Ostbürgers an der DDR nach außen kehrte, gelang es, den Osten als einig Stasiland an den Pranger zu heften, womit der Westen auch als moralischer Sieger aufs Podest rutschte - jedenfalls so lange, bis beim nächsten Mal ein Bundesbeauftragter für die Verfassungsschutz-Unterlagen in die Bütt klettert.
Nachdem es zehn Jahre lang seines Amtes war, auch auf Verdacht berufliche Existenzen aus den Angeln zu heben und suspekten Personen den Faden abzuschneiden, gab Gauck im Jahr 2000 seinen Posten ab, aber seine leuchtende Rolle als verfolgende Unschuld nicht auf: seit 2003 als Vorsitzender der erstklassigen Organisation "Gegen Vergessen - Für Demokratie", 2008 als Mitinitiator der wertvollen "Prager Erklärung zum Gewissen Europas und zum Kommunismus", 2010 als Unterzeichner der herrlichen "Erklärung über die Verbrechen des Kommunismus".
Gauck: Als politischer Zyklop, dessen Auge die rote Gefahr fest im Auge hat, während ihm die blutschäumende Geschichte der Kirche ein Achselzucken wert ist und die Verbrechen des Kapitalismus bloß einen Händedruck abverlangen, eignen sich seine fünf Buchstaben bestens für den Thron des deutschen Bundespräsidenten. Zumal der moralisch sauber getackerte Pastor a. D. zu sozialen Anliegen, ökonomischen Tatbeständen oder gar einer globalen Knacknuss wie dem Klimawandel kaum jemals eine störende Meinung aufbereiten wird, nachdem er 70 Jahre lang den Schnabel zugehalten hat.
Und wenn am 30. Juni an der Wahlurne alle Hoffnungen in die Hose gehen? Dann nutzt Gauck vielleicht seine Popularität, solange sie frisch ist, und fragt in Hollywood an, ob er als James-Garner-Double für eine späte Neuauflage der Serie "Detektiv Rockford – Anruf genügt" in Frage kommt. Versteht sich, dass es in den neuen Folgen nur um Fälle aus der Stasivergangenheit der DDR gehen darf!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei