Wolfsburgs Trainer Felix Magath: "Diego steigert seinen Wert"
Nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal: Trainer Felix Magath über moderne Trainingsmethoden, Schnelllebigkeit, Diegos Zukunft beim VfL Wolfsburg – und über die Stärke der Bundesliga.
taz: Herr Magath. Bleibt es dabei: Sind Fitness und Disziplin für Sie die unabdingbare Grundlage für Erfolg im Profifußball?
Felix Magath: Das habe ich in meiner Trainerkarriere von Anfang an gesagt. Und ich habe meine Meinung dazu nicht geändert. Ordnung, Disziplin und körperliche Fitness sind Grundvoraussetzungen, um im Mannschaftssport Erfolg zu haben. Davon bin ich fest überzeugt.
Hasan Salihamidzic, der beim VfL Wolfsburg wieder unter Ihnen trainiert, findet, dass Sie sich verändert haben. Dass Sie mehr mit Ihren Spielern sprechen. Stimmt das?
Veränderungen merkt man selbst nicht, sondern das wird eher vom Umfeld festgestellt. Aber ich denke und hoffe, dass ich mich auch jetzt noch weiterentwickle. Denn ich möchte nicht stehen bleiben.
Zur Weiterentwicklung in der Fußball-Bundesliga gehören auch moderne Trainingsmethoden. Ihr Kollege Mirko Slomka lässt seine Spieler bei Hannover 96 mit einem über Satelliten gesteuerten GPS-System kontrollieren. Wäre das auch etwas für Sie oder ist das zu dick aufgetragen?
58, hat fast schon die halbe Bundesliga trainiert und dabei dreimal die Meisterschaft gewonnen: 2005/2006 mit den Bayern und 2009 sensationell mit dem VfL Wolfsburg. Nach einem überdrehten Abstecher zu Schalke 04 ist Magath jetzt wieder Wolfsburg-Trainer. Am Freitag scheiterte sein Team in der ersten Pokalrunde am Viertligisten RB Leipzig.
Das muss jeder Trainer für sich beantworten. Ich haben vor Jahren oder Jahrzehnten schon gesagt: Fußball ist das schwierigste Spiel. Viel schwieriger als Schach. Weil es eben so komplex ist und weil es zu viele Faktoren gibt, die das Spiel beeinflussen, nicht nur physische. Die Trainer haben alle eine ähnliche Ausbildung. Trotzdem sieht jeder Trainer das Fußballspiel anders und gewichtet anders. Mit modernen Methoden habe ich mich schon vor zehn Jahren beschäftigt. Ich habe mir das Spiel auch von einer Firma aufnehmen lassen. Nach meinen Vorstellungen. Aber ich brauche keine Laufstrecken und Abmessungen. Ich lege halt auf andere Dinge wert.
Fühlen Sie sich ungerecht dargestellt? Medizinball, Treppe rauf, Treppe runter - darauf wird Ihre Trainingsarbeit in der Öffentlichkeit meistens reduziert.
Ungerecht, das Wort würde ich dafür nicht benutzen. Leider ist es in unserer Zeit so, dass die Dinge meist sehr oberflächlich betrachtet werden. Jeder meint, er kann über jedes Thema reden. Das ist ja nicht nur im Fußball so, das gilt für unsere ganze Gesellschaft. Insofern ist es schwierig geworden, weil mehr Stimmung gemacht wird, als dass Tatsachen erkannt werden. Ich wundere mich immer, wer alles meine Arbeit beurteilt. Es gibt Leute, die haben noch nicht mal ein Training von mir gesehen, aber können beurteilen, was ich mache.
Ich war vor zwölf, fünfzehn Jahren auch, um mich weiterzubilden, bei Alex Ferguson in Manchester, bei Gérard Houllier in Liverpool und in London bei Arsène Wenger und habe dann festgestellt: Das bringt mir alles gar nichts, wenn ich da zwei, drei Trainingseinheiten sehe. Ich kann das nicht beurteilen. Also habe ich meine Sachen gepackt und gesagt, fährst du wieder nach Hause. Denn zu Hause ist es auch ganz schön, und da gehst du deinen eigenen Weg. Und das ist, glaube ich, auch das Richtige.
Erfolg macht zufrieden. Stimmt das auch im Fall von Felix Magath?
Ich bin ein Freund des Satzes "Disziplin bringt Erfolg, Erfolg zerstört Disziplin". Deshalb achte ich mit Argusaugen darauf, dass die Disziplin hoch bleibt.
Sind Sie nach Ihrer Zeit bei Schalke 04 mit Wut im Bauch zum VfL Wolfsburg gewechselt?
Nein, nicht mit Wut. Meine Trainerkarriere hat sich nach den Gesetzen des Fußballgeschäfts entwickelt. Die sportlichen Verantwortlichen sind in den letzten zehn Jahren immer schneller ausgetauscht worden. Nicht weil es die beste Lösung war, was natürlich dummes Zeug ist, sondern weil es die bequemste Lösung für die Vereine und deren Vertreter ist. Aber Vereine wie der SC Freiburg, Mainz 05 und Werder Bremen, die anders gehandelt und nicht bei jedem Problem einen neuen Trainer geholt haben, stehen am Ende eigentlich besser da. Drei Jahre am Stück als Trainer bei einem Verein, das ist heute doch schon viel. Ich habe es gelernt, mich nach einem Engagement, wenn es beendet ist, sofort wieder neu zu orientieren. Das hat mich das Geschäft gelehrt.
Ihre Entscheidung, den in Ungnade gefallenen Diego nicht mehr für Wolfsburg spielen zu lassen, ist konsequent. Aber haben Sie damit nicht Ihre eigene Personalpolitik blockiert und die Vorbereitung auf die neue Saison behindert?
Ich bin dem VfL Wolfsburg gegenüber verpflichtet, diesen Spieler zu trainieren. Durch seine ausgesprochen engagierte Teilnahme wird Diego nicht schlechter, sondern steigert eher seinen Wert. Das bin ich dem Verein schuldig.
Aber gibt es wirklich kein Zurück für Diego? Ihre Entscheidung kann man als konsequent oder auch als stur auslegen. Bei der Pokalpleite in Leipzig hat Ihnen ein guter Spielmacher gefehlt.
Das kann jeder auslegen, wie er will. Aber ich treffe meine Entscheidungen auf Grundlage der Mannschaft. Ich treffe keine Entscheidung danach, ob mir etwas recht ist oder nicht passt, sondern mit dem Blick darauf, was die Mannschaft verträgt, akzeptiert und verkraften kann. Komischerweise wird mir immer wieder vorgeworfen, dass ich auf Distanz zu meinen Spielern gehe. Ich habe das immer so gemacht, damit ich nicht zu viele Gefühle in meine Entscheidungen lege und möglichst objektiv entscheiden kann. Genau das verhilft mir jetzt zu meiner Sichtweise, dass ich einen solchen Spieler durchaus mit im Training dabei haben kann, ohne dass er bei den Spielen Berücksichtigung findet. Der Verein und ich sind uns einig, dass Diego nicht spielen muss und verkauft werden soll. Und in der Not können wir ihn auch behalten, ohne ihn spielen zu lassen.
Wolfsburg wäre in der vergangenen Saison, in der die gewohnte Hackordnung der Bundesliga gehörig durcheinandergewirbelt war, um ein Haar abgestiegen. Wird die neue Saison ähnlich turbulent? Oder werden sich viele Erfolge kleinerer Vereine wieder relativieren?
Ausreißer gibt es immer. Der VfL Wolfsburg hat auch mal überraschend die Meisterschaft gewonnen. Jetzt hatte Dortmund niemand auf dem Plan. Hannover und Mainz waren auch Überraschungsteams. Mit Schalke, Bremen, Stuttgart und Wolfsburg haben sich einige Clubs unten wiedergefunden, die nie daran geglaubt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jede Saison so geht. Aber es bestätigt meine These, dass die Bundesliga die interessanteste Liga der Welt ist und dass hier vieles möglich ist. Wir arbeiten in Deutschland auch wirtschaftlich besser als jede andere Liga. Aber unser Fußball wird immerzu schlechtgemacht.
Es wird immer erzählt, die Deutschen können nur rennen und kämpfen. Das ist alles dummes Zeug. Solche Attribute gehören natürlich zum Spiel dazu, aber wir haben hier doch seit Jahrzehnten viel mehr zu bieten. Die Stärken unseres Fußballs in Deutschland werden nicht genug gewürdigt. Damit meine ich nicht nur die Medien. Die im Fußball Tätigen sind auch selbst schuld daran. Das geht beim Verband los, und das geht bei den Trainern los. Wir Trainer machen uns doch gegenseitig schlecht, anstatt dass wir uns gegenseitig stützen und unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“