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Wohnungsbau in IsraelSiedlerlobby setzt sich durch

1.600 neue Wohnungen sollen im Südosten Jerusalems gebaut werden. Offiziell, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Doch die Siedlungen sind illegal.

Auch hier sollen neue Wohnungen entstehen: Pisgat Zeev im Norden Ostjerusalems. Bild: dapd

BERLIN taz | Wieder einmal hat sich in Israel die Siedlerlobby durchgesetzt. Dass sich jetzt auch das Innenministerium offiziell der ebenso listigen wie abstrusen Argumentation dieser Lobby anschließt, ist jedoch neu. Als Antwort auf die seit vier Wochen andauernden Sozialproteste gegen zu hohe Mieten und steigende Lebenshaltungskosten hatte die Siedlerlobby bekanntlich empfohlen, mehr Siedlungen zu bauen, um den Menschen preiswerten Wohnraum zu bieten.

Genau dieses Argument ist dem israelischen Innenministerium jetzt nicht zu billig, um die jüngsten Siedlungsneubauten in Ostjerusalem zu begründen. "Diese wurden jetzt wegen der ökonomischen Krise hier in Israel genehmigt", erklärte der Sprecher des Inenministeriums Roei Lachmanovich gegenüber der Presse am Donnerstag. "Dies ist überhaupt keine politische, sondern eine rein ökonomische Entscheidung", fügte er hinzu.

In einem ersten Schritt hat Israels Innenminister Eli Yishai 1.600 neue Wohnungen in der Siedlung Ramat Shlomo im Südosten Jerusalems genehmigt. Doch damit nicht genug. Schon in den nächsten Tagen, so kündigte sein Sprecher an, werde auch die Genehmigung für 2.000 weitere Wohnungen in der Siedlung Givat Hamatos im Süden der Stadt und 700 weitere in Pisgat Zeev im Norden Ostjerusalems erteilt.

Erst in der vergangenen Woche hatte das Innenministerium den Bau von 900 zusätzlichen Häusern in der Siedlung Har Homa (Dschebel Abu Ghneim), gegenüber von Bethlehem angekündigt. Dabei hatte das Ministerium allerdings noch auf jeden Bezug zur israelischen Protestbewegung verzichtet.

"Ewige und unteilbare Hauptstadt des jüdischen Staates"

All diese genannten Siedlungen liegen in einem Gebiet von Jerusalem, das Israel 1967 erobert und 1981 annektiert hat, nicht ohne zuvor die Stadtgrenzen weit ins Westjordanland hinein zu verschieben. Nach dem Völkerrecht sind diese Siedlungen illegal. Israel betrachtet dagegen den Siedlungsbau als legitim, da Jerusalem, die "ewige und unteilbare Hauptstadt des jüdischen Staates" sei. Rund 200.000 israelische Siedler leben derzeit in Ostjerusalem inmitten von 260.000 Palästinensern.

Die Siedlungserweiterungen in Ostjerusalem dürften nicht nur die Palästinenser, sondern auch die Europäer und die US-Regierung verärgern. Schon im März 2010 hatte die bloße Ankündigung der städtischen Behörden in Jerusalem, 1.600 Wohnungen in Ramat Schlomo bauen zu wollen, den damaligen Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden belastet. Biden, ein erklärter Israel-Freund, war daraufhin zu einem Abendessen mit Premier Benjamin Netanjahu erst mit demonstrativer Verspätung von mehreren Stunden erschienen.

Damals wie heute lautet die Begründung der Europäer und US-Amerikaner, dass der forcierte Siedlungsbau eine Provokation sei, die eine Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern unmöglich mache. An dieser Bewertung dürfte sich seither wenig geändert haben. In israelischen Medien wurde zudem die Ansicht geäußert, dass diese Entscheidung auch Netanjahus Bemühungen konterkariere, möglichst viele Staaten gegen eine Aufnahme "Palästinas" in die Vereinten Nationen zu mobilisieren.

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13 Kommentare

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  • R
    Rübennase

    Toll, eine Isaraeldiskussion!

    Er hat Jehova gesagt!

    Er hat Jehova gesagt!

     

    Die armen Israelis, ein Volk ohne Raum. Das Problem hatten schon ganz andere....

  • H
    Harald

    Jerusalem wurde vor ca. 4000 Jahren von den palästinensischen Stämmen Benjamin und Juda gegründet. Der palästinensische König Salomo baute dort vor ca. 3000 Jahren den ersten palästinensischen Tempel.

     

    Nach der Zerstörung des Tempels durch die Israeliten, wurde der zweite Tempel, von den aus dem Babylonischen Exil heimgekehrten Palästinensern vor ca. 2500 Jahren wiedererbaut.

     

    Mithilfe der Römer zerstörten die Israeliten auch den zweiten Tempel und unterjochen seither die palästinensischen Stadtgründer, die zu Sklavenarbeit herangezogen werden und vielfältigen, alltäglichen Schikanen durch die israelischen Besatzer Jerusalems ausgesetzt sind.

     

    Die aus der palästinensischen Friedensbewegung hervorgegangene Hezbollah, setzt sich seit Jahrzehnten für eine friedliche, völkerrechtlich sanktionierte Übernahme Jerusalems durch sein Gründervolk ein.

     

    Allein in diesem Jahr schoss die israelische Armee ca. 400 Raketen auf palästinensisches Gebiet ab, unterstützt von der US Armee. Alle Friedensbemühungen seitens Assads und Achmadinedjads, die illegale Okkupation Jerusalems durch die Zionisten zu beenden, scheiterten bisher.

  • E
    end.the.occupation

    Anders Breivik hat sich auf seine 'zionist friends' berufen. Geert Wilders ist regelmässiger Gast bei seinen zionischen Siederfreuden. Und erst unlängst haben sich eine handvoll bekannter europäischer Rechtsextremer mit ihren Gesinnungsgenossen in der Knesset getroffen.

     

    Der Zionismus ist schon vor langer Zeit zu einer exklusionistischen 'Blut und Boden'-Ideologie mutiert, Grundlage des jüdischen Siedlerkolonialismus.

     

    Aus diesen Gründen ist der Antizionismus eine schlichte Selbstverständlichkeit für die Linke - auch in Israel.

  • A
    alex

    @sauel

     

    der dümmste antisemit (gehörst du dazu?) hat begriffen, dass er seinen geistigen dünnschiss dann verbreiten kann, wenn er sagt, dass er anti-zionist ist. dann kann man auch "linke" wählen und ein kleines anti-ra-fähnchen schwenken, biogemüse am maybachufer kaufen und für das recht auf burka demonstrieren.

  • R
    rugero

    Das war abzusehen. Die Proteste geaben einen guten Grund ab für die Besetzung weiterer baugebiete in Ostjerusalem, aus denen wahrscheinlich erstmal Palestinenser vertrieben werden müssen. Eine vordergründig ebenso billige wie kurzsichtige Lösung.

     

    Völkerrecht wird abermals gebrochen und die Tür zu Verhandlungen mit den Palestinensern laut und deutlich zugeschlagen.

     

    Im Angesicht der massiven Umbrüche im Nahen Osten und der inzwischen geschwächten Schutzmacht USA treibt Israel auf eine Katastrophe zu und niemand aus dem Kreis der sogannten Freunde warnt Israels Regierung.

  • RM
    Regine Metes

    Nicht politisch, sondern ökonomisch. Soll das ein Witz sein?

    Jedenfalls war das zu erwarten.

    In Israel gehen die Menschen auf die Straßen wegen wirtschaftlicher Mißstände und den Regierenden fällt nichts anderes ein, als auf Kosten der Palästinenser sich sanieren zu wollen.

    1. ist die Genehmigung dieser

    neuen Wohnungen in Ostjerusalem nicht erlaubt,

    2. ist es einfach ekelhaft, daß ständig die Palästinenser für die Israelis zu leiden haben und ständig der Willkür der Israelis ausgeliefert sind.

    Die Palästinenser brauchen unbedingt die Zustimmung der UN für einen eigenen Staat.

  • HM
    Hilmar Merz

    Da Israel von den USA abhängig ist, könnten die USA erreichen, dass die völkerrechtswidrige Politik der israelischen Siedlungspolitik aufhört.

    Doch in den USA gibt es zu viele bedingungslose Israel-Frreunde.

  • A
    Antiantizionist

    Was bitte schön ist am Antizionismus besser?

    Antizionismus ist nichts weiter als ein Kampfbegriff, um den Antisemitismus konsensfähig zu machen.

    Antizionismus ist die verlauste Eckkneipe, in der Nazis, linke Antisemiten und Islamisten Verbrüderung saufen.

  • S
    Sauel

    Versteht doch endlich den Unterschied zwischen Antisemitismus und Antizionismus.

  • MH
    Munir Husseini

    Kommentar zu "Sachen gibts":

    Das ist wohl nicht ihr Ernst! Welches Geschichtsbild zeigen Sie denn da, wenn Sie die Annektion palästinensischer Gebiete mit dem Gebietsaufteilungen nach dem zweiten Weltkrieg vergleichen? Sie haben wohl vergessen, was im zweiten Weltkrieg zuvor passiert ist! Zeigen Sie eine einzige Parallele auf, und ich bezeichne ihren Kommentar nicht mehr als das dümmste, was zu diesem Thema in dieser Woche geschrieben wurde!

    Und ihr Kommentar bezüglich Neu-Kölln sagt doch mehr etwas über ihr eigenes rassistische Weltbild auf als über ihre Kenntnis des Themas.

  • SG
    Sachen gibts

    Der latente linke Antisemitismus... da tritt er wieder zum Vorschein.

    1967 !!! - anektiert. Ist es mir bisher entgangen, dass die TAZ sich für eine Rückgabe der durch Polen oder Tschechien völkerrechtswidrig besetzten Gebiete eingesetzt hat? Wo bleibt der empörte Aufschrei über die Vertreibung der Deutschen aus diesen Gebieten ? Stellt euch doch bitte nicht so hin, als seit ihr erst Gestern mit Bewußtsein gesegnet (ich hoffe ich darf dieses Wort hier benutzen) worden.

    Ich kann dieses Israel-Bashing nicht mehr hören.

    Auch Palästinenser leben und arbeiten in Israel und diese bewegen sich dort freier und unbedrängter als ein Deutscher in Neu-Kölln oder Berlin. Und stellt euch vor - Palästinenser verdienen durchaus durch Arbeit ihren eignen Lebensunterhalt! Macht Sie diese Tatsache jetzt zu klassenfeinden ?

  • N
    noevil

    In den 10 Geboten steht auch "Du sollst nicht stehlen". Dieses scheint in Israels Innenministerium nicht bekannt zu sein. Oder ist es reine Ansichtssache, sozusagen eine "Kann-nicht"-Bestimmung? Hätte in den 10 Geboten - um Rechtssicherheit zu schaffen - stehen müssen: "Ich, Gott, verbiete Euch, zu stehlen"?

     

    Vielleicht ist aber dafür ja ein anderes Ministerium zuständig...

  • JR
    Josef Riga

    Da sieht man mal das friedliche Proteste was bewirken! In Israel handelt die Regierung jetzt im Sinne der Bevölkerung und versucht das Problem mit dne hohen Mieten anzugehen. Vorbildlich!