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Weniger Förderabgabe für Erdgas und -ölRechtswidrige Milliardenrabatte?

Die rot-schwarze Landesregierung von Niedersachsen will die Förderabgabe bei Erdgas und -öl senken. Kritiker sprechen von Irreführung und Untreue.

Für Nordstream-2-Gas aus Russland bestimmt: Im Bau befindliche Eugal-Pipeline Foto: Paul Langrock

Hannover taz | Hat der niedersächsische Landtag rechtswidrig Millionenrabatte für die Erdgas- und Erdölindustrie beschlossen? Das will die Bürgerinitiative NoMoorGas jetzt mittels einer Beschwerde bei der EU-Kommission prüfen lassen. Sie glaubt, dass die Rabatte eine Wettbewerbsverzerrung im Energiesektor darstellen.

2019 wurden in Deutschland 6,1 Milliarden Kubikmeter Erdgas und 1,9 Millionen Tonnen Erdöl produziert. 97 Prozent des heimischen Erdgases stammen aus Niedersachsen. Allerdings sind die Fördermengen rückläufig und decken nur einen Bruchteil des Bedarfs; mehr als 85 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases wird aus dem Ausland importiert. Beim Erdöl sieht es ähnlich aus. Hier sorgt Niedersachsen für knapp 35 Prozent der inländischen Erdölproduktion.

Um die radikale Senkung der Förderabgabe, die immer fällig wird, wenn jemand Erdgas oder Erdöl aus dem Boden holt, herrscht schon länger heftiger Streit. Hintergrund sind unterschiedlichen Einschätzungen der Rechtslage: 2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Erhöhung der Förderabgabe in Mecklenburg-Vorpommern kassiert. Das Land hatte eine drastische Erhöhung ausschließlich mit der Haushaltslage begründet. Das, sagten die Gerichte, sei nicht zulässig.

Grundsätzlich geregelt wird die Abgabe im Bundesbergbaugesetz, mindestens 10 Prozent des Marktpreises sollen danach für die Ausbeutung der Bodenschätze verlangt werden. Die Länder können auf 40 Prozent erhöhen, in Niedersachsen lag sie bisher bei 18 Prozent für Erdöl und bis zu 27 Prozent bei Erdgas – wobei es zahlreiche Sonderregelungen und Ausnahmen gab. Die Bundesländer müssen ihre Aufschläge allerdings begründen – mit der Marktentwicklung oder der Steuerung der Fördermengen etwa.

Gigantisches Prozessrisiko

Das hat wohl auch in Niedersachsen nicht immer in ausreichendem Maße stattgefunden. Mehrere Förderunternehmen sollen deshalb die noch nicht rechtskräftigen Bescheide ab 2013 angefochten haben. Dem Land drohte – so stellt es CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann dar – ein gigantisches Prozessrisiko von geschätzt 1 Milliarde Euro.

Mit dem nun ausgehandelten Kompromiss – die Förderabgabe des vergangenen Jahres wird zurückgezahlt, für das laufende Jahr auf 5 Prozent und die kommenden Jahre auf 10 Prozent nach unten korrigiert – verzichtet das Land auf rund eine Viertelmilliarde in den Jahren von 2020 bis 2030. Weil damit sowohl 2020 als auch 2021 sogar die bundesgesetzlich vorgeschriebenen 10 Prozent unterlaufen werden, wittern die Beschwerdeführer von NoMoorGas einen Verstoß gegen das EU-Beihilferecht.

Bei den Oppositionsparteien sorgt für Misstrauen, dass die rot-schwarze Landesregierung sich – auch in vertraulichen Ausschusssitzungen – weigert zu sagen, welche Unternehmen mit Klagen gedroht haben und wer am Ende profitieren würde. Außerdem wollen die Grünen massive Fehler in den Zahlen der Ministerien entdeckt haben. Aus ihrer Sicht kam auch die Kehrtwende der Landesregierung relativ überraschend: Noch im Mai des vergangenen Jahres hatte die Koalition im Landtag verkündet, das Prozessrisiko sei gering. Im Januar wurde der ausgehandelte Kompromiss dann im Eilver­fahren durchgepeitscht.

Das sei der Verhandlungstaktik geschuldet gewesen, ließ Althusmann durchblicken. Möglicherweise haben die Förderunternehmen angesichts der dramatischen Einbrüche der Marktpreise durch die Coro­na­krise aber auch noch einmal den Druck erhöht.

Während die Bürgerinitiativen in einigen Teilen des Landes nun befürchten, dass die Ausbeutung von Erdgasfeldern in Erwägung gezogen wird, die aus Rentabilitätsgründen schon als abgeschrieben galten, verschärfen die Grünen noch einmal die Tonart. Von „rechts- und sittenwidrigen Verträgen“, einer mangelhaften und irreführenden Unterrichtung des Landtags, ja sogar von Untreue, spricht Ex-Umweltminister Stefan Wenzel von den Grünen.

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