Wahlen in Liberia: Nobelpreisträgerin muss zittern
Ganz Liberia wartet gespannt auf die Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Eine Stichwahl zwischen Ellen Johnson Sirleaf und Winston Tubman ist wahrscheinlich.
MONROVIA taz | Mulbah Morlu steht im Regen. Sein rotes T-Shirt ist durchnässt, ab und zu schüttelt sich der bullige Mann. Trotzdem wettert er weiter gegen die liberianische Noch-Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf (72) von der Unity Party (UP): "Was hat sie in den vergangenen sechs Jahren für uns getan? Gar nichts", sagt er. Mehrere 100 Menschen stimmen ihm zu.
Sie sind Mitglieder der größten Oppositionspartei, des Congress for Democratic Change (CDC), und leben seit Tagen zwischen Bangen und Hoffen. Schafft es ihr Präsidentschaftskandidat Winston Tubman in die nächste Runde? Oder bekommt Johnson Sirleaf, die vor einer Woche zur Friedensnobelpreisträgerin ernannt worden war, am Ende die absolute Mehrheit?
Nach ersten Ergebnissen der Wahlkommission sieht es danach nicht aus. Weder Präsidentin Mama Elli noch ihr Herausforderer Winston Tubman haben mehr als 50 Prozent der Stimmen. Allerdings fehlt noch die große Mehrheit der Wahlkreise.
Mulbah Morlu, Vorsitzender der CDC-Mobilisierungsteams, glaubt nicht an die Zahlen der Kommission, nach denen die Präsidentin in Führung liegt. Seine Partei hat eigene Hochrechnungen gemacht. "Wir liegen mit 48 Prozent ganz weit vorne. UP hat gerade mal 36 Prozent", sagt er. Zu verdanken sei das dem guten Führungsdoppel.
Georg Weahs zweiter Anlauf
International bekannt ist vor allem der mögliche Vize George Weah, Weltfußballer des Jahres 1995. Schon vor sechs Jahren wollte der heute 45-jährige Staatschef werden – unterlag jedoch Johnson Sirleaf in der Stichwahl. Weah gilt als jemand, der Jungwähler mobilisiert hat. Viele von ihnen fühlen sich von der Präsidentin nicht ernst genommen. "Die macht doch nur etwas für ihre Elite", ärgert sich Mary Cooper, die schon seit Stunden den CDC-Aktivisten an den Lippen hängt: "Ich habe für Weah und Tubman gestimmt."
Elite ist allerdings auch der eigentliche CDC-Kandidat, der 70-jährige Tubman. Wie Johnson Sirleaf studierte er in Harvard. In den 1980er Jahren wurde der Jurist Justizminister. Karriere machte er bei der UNO und gehörte Missionen im Irak, in Kuwait und Somalia an. Sein größtes Plus – so finden seine Anhänger – sei, dass er nie den einstigen brutalen Herrscher Charles Taylor unterstützt hat.
Ellen Johnson Sirleaf ließ diesem indes große Geldsummen zukommen. Viele Liberianer haben der Präsidentin das zwar verziehen, doch für die Opposition bleibt es ein gefundenes Fressen. Tubman, so spötteln jedoch die Anhänger von Mama Elli, gilt als ewiger Parteiwechsler und ging 2005 als Kandidat der National Democratic Party of Liberia (NDPL) ins Rennen. Bis 2011 wechselte er das Parteibuch mehrfach.
Kommt es zu einer Stichwahl zwischen Tubman und Johnson Sirleaf, könnten übrigens die Anhänger von Prince Johnson zum Zünglein an der Waage werden. Der einstige Kriegsherr liegt nach bisherigen Ergebnissen zwar abgeschlagen an dritter Stelle, soll sich aber – so wird kolportiert – schon auf seine Rolle als Königsmacher freuen.
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