Volker Kauder stellt Elterngeld infrage: Zu wenig Kinder für die CDU
Weil die Zahl der Geburten sinkt, kündigt Unionsfraktionschef Kauder eine Überprüfung des 2007 eingeführten Elterngeldes an. Familienministerin und Opposition sind erbost.
BERLIN taz/dapd | Gleich doppelt beschäftigte das Elterngeld am Freitag den politischen Betrieb in Berlin. Der Bundesrat billigte ein neues Gesetz, das die Auszahlung dieser lohnabhängigen Leistung für junge Eltern beschleunigen soll. Bislang warten viele Familien wochenlang, dass das Geld auf dem Konto eintrifft.
Damit künftig „zeitnah zur Geburt“ gezahlt wird, wird der Betrag in einem pauschalisierten Verfahren ermittelt. Dadurch soll sich auch der Verwaltungsaufwand verringern.
Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Volker Kauder sprach sich am selben Tag dafür aus, das Elterngeld grundsätzlich zu überprüfen. Kauder sagte der Süddeutschen Zeitung: „In der nächsten Legislaturperiode werden wir uns das Elterngeld und seine Wirkung noch mal anschauen müssen.“
Hintergrund ist die jüngst vom Statistischen Bundesamt ermittelte Geburtenzahl. 2011 wurden in Deutschland insgesamt 663.000 Kinder geboren, das sind 15.000 Kinder oder 2,2 Prozent weniger als 2010. Der CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß bezweifelte daraufhin den Sinn des Elterngelds und merkte an, dass die Zahl der Kinder abnehme, während das Elterngeld jährlich fast 5 Milliarden Euro koste. Mit Kauders Äußerung ist diese Skepsis nun kein Hinterbänkler-Thema mehr.
„Elterngeld keine Gebärprämie“
Die Familienministerin setzte sich am Freitag zur Wehr. „Ich habe niemals gesagt, dass der Sinn des Elterngeldes ist, die Geburtenrate zu steigern“, sagte Kristina Schröder (CDU). Diese Annahme sei ein Missverständnis. Auf die Frage, ob Kauder den Sinn des Elterngeldes falsch verstanden habe, erklärte sie: „Entscheidend ist, dass ich sage, dass das Elterngeld keine Gebärprämie ist.“ Dass immer weniger Kinder geboren würden, liege an der sinkenden Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Regierung „stellt das Elterngeld jetzt nicht infrage.“
Die Opposition reagierte empört auf Kauders Vorstoß. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wetterte, Kauder gehe es „wohl eher um Bevölkerungspolitik als um eine echte Verbesserung der Situation junger Familien.“ Anders als das Betreuungsgeld sei das Elterngeld „für das erste Lebensjahr eine wichtige und richtige Maßnahme“.
Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig warf der Union vor, sie wolle „an den Familien sparen“. Kauder habe „im Grunde angekündigt, dass die Union das Elterngeld spätestens in der nächsten Legislatur abschaffen will“, sagte Schwesig. „Da hilft auch das Zurückrudern der Bundesfamilienministerin nicht. Denn ihr Wort hat in dieser Bundesregierung ganz offensichtlich sowieso kein Gewicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn