Volker Hassemer über Kollhoff: „Man muss Geduld haben“
Der Kollhoff-Plan zur Bebauung des Alexanderplatzes mit Hochhäusern dürfe nicht aufgegeben werden, sagt der frühere Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer.
taz: Herr Hassemer, als Sie im April 1993 den Plan des Architekten Hans Kollhoff für den Alexanderplatz mit seinen zehn Hochhäusern vorstellten, hätten Sie da gedacht, dass das Thema zwanzig Jahre später solche Emotionen auslöst?
Volker Hassemer: Zunächst einmal habe ich geglaubt, dass solche günstigen Baurechte von den Investoren früher wahrgenommen werden. Später habe ich gemerkt, dass die Politik auch am Alexanderplatz Angst vor höheren Bauten hatte.
Berlin fürchtete und fürchtet sich vor Hochhäusern?
Ja.
"Grundelement des Städtebaus soll eine Gebäudetypologie werden, die Block und Hochhaus kombiniert und so dem auseinanderdriftenden Stadtraum Halt verleiht": Mit dieser Begründung stellte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) am 22. April 1993 den Sieger des städtebaulichen Ideenwettbewerbs zum Alexanderplatz vor.
Gewonnen haben Hans Kollhoff und Helga Timmermann mit einem Hochhausentwurf, der zehn Türme vorsah, die aus einem Sockel wachsen. Die Türme waren neu für Berlin, die Sockel erinnerten an die "kritische Rekonstruktion" der Blockrandbebauung, wie sie in der Friedrichstraße erprobt wurde.
Zwanzig Jahre später ist von alldem nichts zu sehen. Das liegt am Wachstumsglauben, der dem Kollhoff-Plan zugrunde lag. Berlin, so stellte sich bald heraus, war keine Boomtown, sondern trat auf der Stelle. Zwar fand der Senat bald Käufer für die Grundstücke. Doch das Risiko mit dem Hochhausbau ging keiner ein.
Kaum im Amt, zog Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) 2004 die Reißleine. Block und Hochhaus, die 1993 noch eine Einheit bilden sollten, wurden nun getrennt. Die Investoren konnten nun den Sockel bauen, ohne gleich in die Höhe zu müssen. Aber auch das brachte nicht den gewünschten Aufbruch. Der einzige Sockel ist das Saturn-Gebäude des US-Investors Hines. Hines möchte nun auch das erste Hochhaus bauen.
Mit dem Wolkenkratzer-Glanz der zwanziger Jahre, den Kollhoff dem Alex verordnete, wird der Hines-Turm aber nichts zu tun haben. Auch deshalb hat Hans Kollhoff angekündigt, nicht am Architekturwettbewerb teilnehmen zu wollen. Noch radikaler ist Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Sie will den Plan beerdigen und sich mehr am Bestand orientieren. Zahlreiche Gebäude wie das Haus der Elektroindustrie waren in den vergangenen Jahren saniert worden, obwohl an ihrer Stelle die Kollhoff-Türme geplant waren. UWE RADA
Und die Politik schürt diese Angst?
Natürlich darf man Berlin nicht zu einer beliebigen Hochhausstadt machen. Wir sind weder New York noch Frankfurt. Im Übrigen stand beim Wettbewerb vor zwanzig Jahren auch gar nicht der Hochhausentwurf im Vordergrund, sondern die Konzeption des Platzes. Neben Kollhoff gab es damals auch einen Entwurf von Daniel Libeskind, der eine ganz andere städtebauliche Idee hatte.
Für welchen Entwurf haben Sie in der Jury gestimmt?
Für Kollhoff. Es war aber für mich auch eine knappe Entscheidung.
Nun sind die zehn Türme damals gleich zur Marke geworden. Das war die Zeit, in der Berlin ein großes Wachstum vorausgesagt wurde. Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass die Realität dem Plan nicht standhält?
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre – aber immer mit dem Gefühl, dass das nur ein Aufschub des Wachstums ist. Niemand hätte vor zwei Jahren gedacht, dass Berlin nun tatsächlich so stark wächst wie derzeit.
Ist der Kollhoff-Plan also aktueller denn je?
Ja. Anders gesagt: Hätte man stadtplanerisch an der Kollhoff-Planung verzweifeln wollen, hätte man fünfzehn Jahre lang Zeit gehabt.
Sie spielen auf die Ankündigung von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher an, den Kollhoff-Plan nicht weiter zu verfolgen.
Es ist schon erstaunlich, dass ein solcher Entschluss von der, wenn auch höchsten, Beamtin der Stadtplanung verkündet wird.
Und nicht von der Politik?
Der Alexanderplatz ist eine höchst wichtige und damit auch eine höchst politische Frage. Vor zwanzig Jahren war noch nicht einmal mein Staatssekretär in den Jurys, sondern ich als Senator.
Aber hat Frau Lüscher nicht recht, wenn sie sagt: Es wurde viel in den Bestand investiert, zum Beispiel im Haus der Elektroindustrie, nun müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Eigentümer das nicht abreißen wollen, nur um da dann drei Kollhoff-Türme hinzustellen?
Politik kann Investoren nicht zwingen, sich Bauvorhaben zuzumuten, die sie zurzeit nicht machen können oder wollen. Aber die Stadtplanung darf im Hinblick auf die Flüssigkeit der Investoren auch nicht ihre Planungen ändern.
Wurden da nicht auch handwerkliche Fehler gemacht? In den städtebaulichen Verträgen hätte man doch verhindern können, dass Gebäude saniert werden, die später den Türmen weichen sollten?
Zu den Details kann ich nichts sagen, das war nach meiner Zeit. Man sollte aber den Blick nicht zurück, sondern nach vorne richten. Und da finde ich schon erstaunlich, dass zu einer Zeit, in der es wieder Rückenwind gibt, laut darüber nachgedacht wird, ob nicht die hohen Häuser eine Zumutung für die Investoren sein könnten.
Sie wissen aber auch, dass außer dem US-Investor Hines kein Investor daran denkt, einen Turm zu bauen. Einige Eigentümer haben dies ausdrücklich sogar ausgeschlossen.
Dann sollen sie mit ihren Grundstücken für die nächste Phase des Wachstums glücklich werden. Ich kann doch nicht, nur weil ich das Investitionsverhalten der Eigentümer zur Kenntnis nehme, mein Bild eines so wichtigen Platzes aufgeben. Man muss in der Stadtentwicklung auch Geduld haben. Hätten Sie gedacht, dass irgendwann am Alexanderplatz ein Wohnhochhaus gebaut werden soll? Das ist eine Chance, um die Planung noch zu verbessern. Aber nicht, um sie aufzugeben.
Nun ist die Kollhoff-Planung ja gleich aus zwei Ecken unter Druck geraten: Die Senatsbaudirektorin möchte sie zu den Akten legen. Und Kollhoff selbst ist sauer, weil er die Architektur von Hines billig findet. Sollte er trotzdem an dem Wettbewerb für das Hochhaus teilnehmen?
Ich würde es ihm raten. So wie ich hat auch er eine Verpflichtung diesem Entwurf gegenüber. Zu sagen, es geht gar nicht, meinen Grundentwurf dort entsprechend zu bauen, muss sich im Wettbewerb beweisen. Da reicht es nicht, das von außen zu kommentieren.
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