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Verfassungsschutzbericht vorgestelltBröckelnde Neonazi-Szene

Der Verfassungsschutz intensivierte die Beobachtung der radikal-islamistischen Szene und sieht keine Fehler bei Ermittlungen zum Neonazi-Untergrund.

Laut Verfassungsschutz von linksautonomen Gruppen in Beschlag genommen: das Thema Gentrifizierung. Bild: dpa

Innensenator Michael Neumann (SPD) hat sich erneut für ein Verbot der NPD ausgesprochen und möchte den Neonazi-Aufmarsch zum selbsternannten „Tag der deutschen Zukunft“ am 2. Juni auf eine „stationäre Kundgebung“ in Wandsbek beschränken. Das erklärte Neumann am Montag bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2011. Und nachdem die Serie von zehn Morden dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zuzurechnen sei, „steht die Bekämpfung des Rechtsextremismus mit der neuen Dimension des Terrorismus im besonderen Fokus“, sagte Neumann.

Hamburgs Verfassungsschutz (VS) ist daher froh, dass ihm bis dato keine Verfehlungen oder gar Verflechtungen mit dem NSU vorzuwerfen sind, die woanders den Inlandsgeheimdienst „böse getroffen haben“, ergänzte VS-Chef Manfred Murck: „Hamburg steht nicht im Zentrum der Kritik.“ Nach Sichtung vieler Akten gebe es keine Anzeichen, dass Neonazis an der Elbe direkten Kontakt zur Zwickauer Zelle oder deren engsten Umfeld gehabt haben, sagte Murck.

Überhaupt sei die Neonaziszene eher am bröckeln, auch wenn das „böse alte Tandem“, die Neonazi-Kader Thomas Wulff und Christian Worch zum 2. Juni wieder gemeinsam an einem Strang zieht. „Hamburg ist keine Hochburg der Neonaziszene und ihren bösen Geistern“, sagte Murck. „Es gibt jedoch viele Leute, die fremdenfeindlich denken“ und bei denen die Überfremdungs-Thesen der Nazis auf Nährboden stoßen, konstatierte Murck.

Der Inlandsgeheimdienst

Schwerpunkte der Beobachtungen des Verfassungsschutzes (VS) sind der "islamistische Terrorismus" sowie die linksradikalen und rechtsextremen Szenen.

Die rechtsextreme Szene schätzt der VS auf 450 Nazis, wovon 180 gewaltbereit gelten und im vorigen Jahr 312 Straftaten verübt haben.

In der linken Szene glaubt der VS 620 gewaltorientierte Personen zu kennen, denen im vorigen Jahr 618 politisch motivierte Straftaten zur Last gelegt werden.

Das Potenzial an Islamisten und Ausländer-Extremisten beziffert der VS an der Elbe auf 3.040 Personen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Inlandgeheimdienstes liegt bei der Beobachtung radikal-islamistischer Organisationen. In Hamburg glaubt der VS rund 40 Befürworter des bewaffneten „Heiligen Krieges“ ausgemacht zu haben. Nach dem Verbot des Trägervereins der Taiba-Moschee fehle der Dschihadisten-Szene aber zurzeit der zentrale Anlaufpunkt. „Auch salafistische Aktivitäten sind zunehmend zu verzeichnen“, sagte Murck. „Fast alle islamistischen Terroristen waren und sind salafistisch geprägt“, sagte Neumann.

Deshalb sei es richtig gewesen, dass der VS an der Elbe bereits im März Alarm geschlagen habe, dass hinter den Koran-Verteilungsaktionen Salafisten stehen. Er habe nichts dagegen, wenn der Koran verteilt werde, doch wenn Bestrebungen dahinter stünden, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien, „dann habe ich – wie im Übrigen auch die Mehrheit der Muslime in unserer Stadt – entschieden etwas dagegen“, sagte Neumann

Auch die linke Szene hatte der VS natürlich 2011 im Blick. Im Kontext der Stadtentwicklung sei es linksautonomen Gruppen gelungen, das Thema Gentrifizierung in Beschlag zu nehmen und zusammen mit anderen Initiativen Demonstrationen mit mehreren tausend Menschen zu organisieren. Die gänzliche Beobachtung der Linkspartei hat der Geheimdienst jedoch eingestellt.

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7 Kommentare

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  • F
    Frank

    An "fan": Ich habe mich bis jetzt hier auf der Online-Seite der taz immer vom kommentieren anderer Kommentare zurückgehalten, aber Ihr Kommentar driftet doch schon etwas zu sehr ins "Schwar-Weiß-Denken". Ihre Behauptung, dass der Roboter geil sei kann ich so unreflektiert leider nicht stehen lassen. Meinen sie die bloße Darstellung der Maschine, sprich des Roboters, oder die Nutzung des Roboters als Metapher für die "Mieten Wahnsinn"-Bewegung, was mit verlaub gesagt eine merkwürdige Metapher ist, denn bisher werden Roboter ja immer noch von außen gesteuert und so müsste man sich denn dann doch fragen, wer diesen Roboter in Hamburg steuert, etwa "linksautonome Gruppen"?

  • H
    Hans

    „Es gibt jedoch viele Leute, die fremdenfeindlich denken“ und bei denen die Überfremdungs-Thesen der Nazis auf Nährboden stoßen, konstatierte Murck."

     

    Und dazu hat das SPD-Mitglied und ex-Senator aus Berlin Thilo Sarrazin massiv beigetragen, aber sowas schreiben sie nicht in Verfassungsschutzberichte, die an sich schon ein Widerspruch sind, denn echte (Geheim-)Informationen landen da nicht. Auch Murks und seine Mitarbeiter wissen doch nicht, welcher Islamist einfach nur strenggläubig und salafistisch und welcher gewaltbereit oder gar zum Bombenanschlaf fähig ist.

     

    Ob die Neonaziszene bröckelt oder nicht, es reichen im Zweifel nur drei Personen aus, um wirklich schlimme Morde zu begehen. Auch diese Entwarnungen machen auch mich eher einen politisch-motivierten Beruhigungspilleneindruck, als sie wirklich im Detail etwas verraten würden, zumal in Hamburg Bahrenfeld ein Opfer aufs Konto des Terror-Trios ging. Und mindestens da erkannte auch keine Hamburger Behörde, dass der Mann unschuldig und Opfer von Neonazis war. Aber das ist ja für 2012 nicht wichtig, wir sind jetzt mal beruhigt.

  • F
    fan

    Der Roboter ist ja geil!

  • E
    EinMensch

    An "Joey": Ich habe mich bis jetzt hier auf der Online-Seite der taz immer vom kommentieren anderer Kommentare zurückgehalten, aber Ihr Kommentar driftet doch schon etwas zu sehr ins "Schwar-Weiß-Denken". Ihre Behauptung, dass die deutsche Justiz auf dem "linken" Auge blind zu sein scheint, mag ich sehr stark zu bezweifeln, da ich immer wieder von Festnahmen von linken Autonomen oder scheinbar "Linksextremen" nach Demonstrationen, vor allem hier in Bayern gehört und zum Teil gesehen habe. Ich denke zwar auch, dass das exekutive und juristische Vorgehen auf das jeweilige Bundesland mit seiner aktuellen Regierung ankommt, aber generell wird in Deutschland zum Glück und in den allermeisten Fällen jede Straftat, egal ob von links, rechts, religiösen Fanatikern oder sonstigen Kriminellen verfolgt. Es gibt aber natürlich ebenfalls Fälle, die zu einem fragwürdigen bzw. "ungerechten" Ausgang bzw. Urteil gekommen sind. Alles in einem kann ich im Rechtsstaatenvergleich international und aus eigener Erfahrung sagen, dass die deutsche Justiz innerhalb der Staatsgrenzen zwar nicht fehlerfrei sein mag, aber doch als einer der effektivsten und konsequentensten weltweit gelten kann. Und bitte tun Sie uns den Gefallen und vermeiden Sie den Ausdruck "kriminelle Migranten", dieser Begriff hat doch schon eine sehr "rechte" Konnotation. Deshalb benutzen Sie lieber andere Wörter, an erster Stelle in ihrem eigenen Interesse, immer darauf bedacht welche polit. Position Sie damit beziehen wollen.

  • J
    Joey

    @Peter...Anhänger linker Parteien kommen in Deutschland nicht in lebenslängliche Haft. Wenn das so wäre,dann müsste man erstmal Parteien wie die Linke,Bündnis90/DieGrünen und den linkslastigen Flügel der SPD verbieten. In Deutschland gilt es als cool gegen rechts zu sein,deswegen wird auch nur einseitig gegen rechts vorgegangen. Daran ändert auch die Panne mit der NSU nichts,auch wenn dies natürlich von der taz und anderen Linken populistisch ausgeschlachtet wird. Die Antifa rechtfertigt ihre zahlreichen und schweren Straftaten auch immer mit dem Kampf gegen rechts. Auf Demos werden dann Polizisten von Antifanten angegriffen und es finden massive Sachbeschädigungen durch Linke statt, für die der Steuerzahler und Solidargemeinschaften aufkommen müssen. Beim Kampf gegen links ist man in Deutschland blind,besonders in rotgrün regierten Ländern. Man will ja seine linken Wähler nicht vergraulen. Das Problem mit kriminellen Migranten und Salafisten wird besonders von der SPD/Grüne/Linke und der taz schön geredet. Nach dem Wahlsieg von Hannelore Kraft werden die Salafisten in NRW weiter nichts zu befürchten haben. Es wird nur einseitig gegen Pro NRW vorgegangen,die völlig harmlose Karriakturen gezeigt haben. Das Muslime nur über ein sehr schwaches Selbstbewusstsein verfügen und bei jeder noch so kleinen Provokation durchdrehen,dafür kann keiner was. Es wäre schön,wenn man in Deutschland gegen alle(Rechte,Linke und kriminelle Migranten und irrgläubige Muslime) konsequent vorgehen würde. So bleibt es beim einseitigen Kampf gegen rechte Gruppierungen und Parteien. Die Berichterstattung der taz ist auch immer sehr einseitig und zugunsten krimineller linker Gruppierungen. Da weiß man ja aus welchem politischen Milieu die taz ihre Redakteure rekrutiert.

  • D
    Dominique

    "Das Potenzial an Islamisten und Ausländer-Extremisten beziffert der VS an der Elbe auf 3.040 Personen."

     

    Ausländer-Extremisten?

    Sex-Täter?

    Handtaschenklauer-Ali?

     

    war etwa die Bild-Zeitung hier der Vater der Grammatik?

     

    Ich fand die Berichterstattung über die Koranverteilung allgemein ziemlich schrecklich, die TAZ war hier eine schöne ausnahme.

    Tagesschau z.B. hat bei dem Thema wahnsinnig schlechten journalistischen stil an den tag gelegt

  • P
    peter

    Seltsam, dass radikaler Salafismus nicht verboten wird, was will man mit dieser gefährlichen Duldung erreichen? Würde es sich um eine linke Partei handeln, die nur ansatzweise die Verfassung, geschweige denn das Lebensrecht Andersdenkender in Frage stellt, wären alle Anhänger längst lebenslänglich in Haft.