Verfahren gegen Strauss-Kahn: Peinlich bleibt es für DSK doch
Strauss-Kahn muss sich in New York nicht wegen Vergewaltigung verantworten. Der Richter gab dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt. Das Verfahren in Paris läuft weiter.
PARIS taz | Mit "großer Erleichterung" oder "Genugtuung" haben Dominique Strauss-Kahns sozialistische Parteifreunde in Frankreich schon am Montag auf die bevorstehende Einstellung der Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen Vergewaltigung der Hotelangestellten Nafissatou Diallo reagiert. In den Stellungnahmen der Parteileitung wird unterstrichen, wie froh die Genossen und Genossinnen von DSK über diesen Ausgang der moralisch und politisch höchst peinlichen Affäre vor allem für dessen Gattin Anne und die Familie seien.
Einer der engsten Mitarbeiter bei den Sozialisten, der ehemalige Europaminister Jean-Pierre Moscovici, meinte, man müsse nun Strauss-Kahn "endlich in Frieden lassen". Selbst der Sprecher der konservativen Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, sagte, er sei "glücklich für DSK".
Wie er rechnet in Frankreich hingegen niemand mehr mit einem schnellen Comeback von DSK in die Politik und schon gar nicht mit seiner Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen von 2012, für die er bis zum Tag seiner Verhaftung Mitte Mai als klarer Favorit gegolten hatte. Eine Mehrheit hält dies laut Umfrage nicht mehr für wünschenswert.
Der Brief, in dem der New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance mitteilt, er wolle mit diesem Fall nicht vor Gericht gehen, schafft in Frankreich keineswegs Klarheit. In seinem Schreiben sagt Vance bloß, dass er wegen der zahllosen Lügen der Klägerin nicht in der Lage sei, eine Jury zu überzeugen, damit diese zu einer einstimmigen und über jeden Zweifel erhabenen Gewissheit komme.
Er bestätigt aber, dass zwischen Diallo und DSK ein kurzer sexueller Kontakt stattgefunden habe, von dem er nicht wisse, ob er einverständlich war oder nicht. Auch die Landsleute des früheren IWF-Direktors werden also nie mit Sicherheit erfahren, was Gerücht und was Faktum war. Daher ist der Brief, in dem Vance seinen Entschluss, die Strafvorwürfe fallen zu lassen, ankündigte, auch nicht ein "Persilschein" für den Exangeklagten.
Kurzer Geschlechtsakt
In einigen Berichten wurde DSK in Frankreich nämlich sogleich als "weißgewaschen" präsentiert. In dem 25-seitigen Schreiben ist hingegen von einem sehr kurzen Geschlechtsakt die Rede ist, über deren Charakter sich Vance nicht äußert.
Zweifel hat er auch an der eindeutigen Herkunft der ärztlich festgestellten roten Flecken im Genitalbereich der Klägerin. Und im Abfalleimer, in den diese angeblich Sperma gespuckt haben soll, fanden sich keine DNA-Spuren davon.
Korrekter wäre es aber zu sagen, dass DSK vor allem aus Prozedurgründen mit Verdacht entlassen wird, weil ein amerikanischer Staatsanwalt anscheinend nicht seine Karriere mit einem derart unsicheren Ausgang einer Gerichtsverhandlung vor Geschworenen riskieren wollte. So wurde in Frankreich diese Einstellung der Ermittlungen durch diese so ganz anders funktionierende US-Justiz erklärt.
Vorschnelle Meldung
Im Zuge der juristischen Wende von New York hatte die Agentur Reuters etwas vorschnell gemeldet, auch die französischen Ermittlungen gegen DSK wegen eines angeblichen Vergewaltigungsversuchs in Paris vor acht Jahren würden eingestellt.
Auf Anfrage teilte die Pariser Staatsanwaltschaft jedoch mit, die polizeiliche Voruntersuchung mit Anhörung von Zeugen werde fortgesetzt. Bestimmt möchten die Ermittler Strauss-Kahn selber nach seiner Rückkehr befragen. Dieser hat die Anschuldigungen der Schriftstellerin Tristane Banon zurückgewiesen und eine Klage wegen Verleumdung gegen sie eingereicht.
Deren Anwalt sagte, nach der Einstellung der Ermittlungen in New York könne das Verfahren in Paris erst richtig beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers