Verbot von Streumunition: Oslo-Konvention in Gefahr
Die Uno plant ein weiteres Streubomben-Abkommen mit schwächeren Standards. Der Bundestag berät am Donnerstag. NGO kritisieren die Bundesregierung.
![](https://taz.de/picture/242101/14/Bombe3985129.jpg)
GENF taz | Der im August 2010 in Kraft getretenen Oslo-Konvention zur vollständigen Ächtung von Streumunition droht eine Aufweichung. Auf Betreiben der Gegner dieser Konvention wird ab kommenden Montag in Genf im Rahmen der UNO über Entwürfe für ein zweites Streumunitionsabkommen mit deutlich schwächeren Standards verhandelt.
Die Bundesregierung beteiligt sich an diesen Verhandlungen, obwohl sie die Oslo-Konvention unterzeichnet und der Bundestag die Konvention im April 2009 einstimmig ratifiziert hat.
In einem am Dienstag in Berlin vorgestellten Brief appellieren Handicap International, Brot für die Welt und elf weitere Nichtregierungsorganisationen an die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP, "alles dafür zu tun, dass die mit der Oslo-Konvention erreichte Ächtung von Streumunition nicht wieder aufgeweicht wird".
Deutschland solle sich dafür einsetzen, dass bei den Genfer UNO-Verhandlungen kein zweites Abkommen verabschiedet wird und diese Verhandlungen beendet werden. Über einen entsprechenden Antrag der Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen berät am Donnerstag der Bundestag.
Die Oslo-Konvention zur vollständigen Ächtung von Streumunition verbietet Einsatz, Produktion, Lagerung und den Export aller Typen von Streumunition. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten zur Vernichtung sämtlicher Bestände sowie zur Unterstützung von Opfern bisheriger Einsätze von Streumunition. Die Konvention wurde zwischen 2007 und 2009 außerhalb der UNO von über 80 Staaten sowie unter Beteiligung einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen ausgearbeitet. 111 der 193 UNO-Staaten haben die Konvention unterzeichnet.
Widerstand aus USA, China, Russland, Indien, Pakistan und Israel
Zuvor waren Verhandlungen in der ständigen Abrüstungskonferenz der UNO in Genf gescheitert. Dabei ging es darum, die 1980 verabschiedete Konvention über solche konventionelle Waffen und Munition (CCW), die "übermäßiges Leiden verursachen oder unterschiedslos gegen Soldaten und Zivilisten wirken, "durch ein Zusatzprotokoll zum Verbot von Streumunition zu ergänzen.
Der für die Verabschiedung des Zusatzprotokolls erforderliche Konsens scheiterte am Widerstand der USA, Chinas, Russlands sowie Indiens, Pakistans und Israels. Wesentlich auf Betreiben dieser Staaten wurden die Verhandlungen über ein CCW-Zusatzprotokoll zu Streumunition auch nach Inkrafttreten der Oslo-Konvention im August 2010 weitergeführt.
Grundlage der Verhandlungen vom 14. bis 25. November ist ein Entwurf für ein Abkommen, der nicht sämtliche Typen von Streumunition verbieten würde, sondern lediglich die Nutzung der vor 1980 produzierten Munitionsbestände. Und dies, obwohl alle Typen von Streumunition, die seit Ende des Kalten Krieges in Konflikten eingesetzt wurden, nach 1980 produziert wurden. Zudem erlaubt der Entwurf die fortwährende Produktion und den Transfer von Streumunition und enthält keine konkreten Verpflichtungen zur Opferunterstützung, Munitionsbeseitigung sowie zur Vernichtung der Munitionsbestände.
Die Vereinbarung eines internationalen Abkommens, das erlaubt, was ein anderes Abkommen bereits verbietet, wäre ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des humanitären Völkerrechts. Mit der Beteiligung an den Verhandlungen über ein zweites Streumunitions-Abkommen verstößt Deutschland nach Auffassung der 13 Nichtregierungsorganisationen gegen seine Verpflichtungen aus der Oslo-Konvention, andere Staaten zu Unterzeichnung der Konvention zu "bewegen" und sie "nicht zu unterstützen oder zu ermutigen, etwas zu unternehmen, was aufgrund der Konvention verboten ist".
"Die Bundesregierung muss jedem Versuch, den Umgang mit Streumunition völkerrechtlich zu erlauben, energisch entgegentreten", fordert Thomas Küchenmeister, Koordinator von Facing Finance, einer Mitgliedsorganisation der Internationalen Kampagne gegen Streumunition.
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefes an die Bundstagsfraktionen von CDU/CSU und FDP gehören: "Brot für die Welt", Caritas international, der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, FACING FINANCE (Cluster Munition Coalition in Deutschland), Handicap International Deutschland e.V., Human Rights Watch Deutschland e.V., Oxfam Deutschland e.V. , pax christi - Sekretariat der deutschen Sektion, solidaritätsdienst international e.V., terre des hommes Deutschland e.V., UNICEF Deutschland und urgewald e.V.
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