Verbesserte Integration: Neuer Anlauf zum Doppelpass
Baden-Württembergs Integrationsministerin Öney (SPD) wirbt unter ihren LänderkollegInnen für die doppelte Staatsbürgerschaft. Betroffen wären viele Türken.
BERLIN taz | Bilkay Öney prescht vor: Die Chefin des unter Grün-Rot neu geschaffenen Integrationsministeriums in Baden-Württemberg startet einen Vorstoß, um die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland grundsätzlich zuzulassen. "Ich denke, dass wir eine Möglichkeit haben, das hinzubekommen", sagte die türkischstämmige SPD-Ministerin.
Seit unter der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 das Staatsbürgerschaftsrecht reformiert wurde, erhalten auch Kinder von Eltern mit ausländischen Pässen, die hier geboren werden, die deutsche Staatsbürgerschaft. Voraussetzung: Ein Elternteil muss seit acht Jahren regelmäßig und rechtmäßig in Deutschland leben und das unbefristete Aufenthaltsrecht besitzen.
Auf Druck der Union im Bundesrat wurde damals jedoch eine entscheidende Ausnahme in das Gesetz hineinformuliert: das Optionsmodell. Danach müssen sich die Kinder zwischen dem 18. und dem 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Den deutschen Pass behalten sie nur, wenn sie den ausländischen abgeben.
Mehrstaatigkeit ist also in Deutschland nicht vorgesehen. Sie wird jedoch häufig praktiziert: Die SPD verweist darauf, dass schon heute in 53 Prozent aller Fälle die doppelte Staatsbürgerschaft hingenommen werde. Denn für EU-Bürger oder Schweizer existiert das Privileg des Doppelpasses. Auch Bürger, die Pässe aus Ländern haben, die sie aus der dortigen Staatsangehörigkeit nicht entlassen wollen, beispielsweise Afghanistan, Iran, Tunesien oder Marokko, dürfen Doppelstaatler sein.
Nicht so jedoch türkischstämmige Personen. "Die Maßnahme dient vor allem dazu, Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft oder muslimischem Hintergrund vom deutschen Pass fernzuhalten", kritisiert deswegen Hilmi Kaya Turan von der Türkischen Gemeinde Deutschland. "Wir sind schon lange Teil dieser Gesellschaft, aber man benachteiligt uns."
Grüne, SPD und Linke forden doppelte Staatsbürgerschaft seit Langem
Turan erzählt von den vielfältigen Problemen, die aus dem Verbot der Mehrstaatigkeit erwüchsen: TürkInnen der ersten Einwanderergeneration würden im Alter gern mehr Zeit in der Türkei verbringen: "Ohne deutschen Pass dürfen sie sich aber nicht länger als sechs Monate außerhalb von Deutschland aufhalten, sonst gibt es Probleme mit der deutschen Aufenthaltsgenehmigung." Für viele Deutschtürken sei der türkische Pass ein Teil der Identität, den sie nicht aufgeben wollten.
Für Öney ist das Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft "integrationspolitisch nicht sinnvoll". Integrationsprobleme beruhten nicht auf einer ausländischen Staatsangehörigkeit, sondern hätten mit der "sozialen und wirtschaftlichen Lage und dem Bildungsniveau" zu tun. Das Optionsverfahren sei zudem "sehr kompliziert und verwaltungstechnisch schwer praktikabel". Die Ministerin zeigte sich zuversichtlich, mit den geänderten Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat eine Stimmenmehrheit zu bekommen.
Seit Langem fordern Grüne, SPD und Linke die doppelte Staatsbürgerschaft. Doch ihre Stimmen allein reichen im Bundesrat nicht aus. Entscheidend wäre, welches Votum die CDU-SPD-Länderregierungen in Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern abgäben. Bis Redaktionsschluss äußerten sie sich dazu nicht.
Interesse signalisiert die FDP im Bundestag. Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte der taz, die Koalition müsse über eine "Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts nachdenken". Allerdings rechnet Tören damit, dass seine Partei zuerst die Evaluierung des Optionsmodells abwarten will, die auf Drängen der Liberalen in den schwarz-gelben Koalitionsvertrag aufgenommen wurde.
In Baden-Württemberg hat Öney bereits ein anderes Zeichen gesetzt: Am Montag gab sie bekannt, dass der 2006 unter Schwarz-Gelb eingeführte "Gesprächsleitfaden" für Einbürgerungsbehörden - Kritiker sprachen von "Gesinnungsschnüffelei" - abgeschafft wird. Statt des Fragebogens soll es künftig Einzelgespräche geben, um die Grundgesetztreue der Bewerber zu erfragen.
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