Urteil gegen Pussy Riot: Zwei Jahre Knast
Für zwei Jahre müssen die Musikerinnen von Pussy Riot wegen religiös motovierten Rowdytums ins Gefängnis. Weltweit finden Solidaritäts-Aktionen statt.
MOSKAU afp/dapd/rtr | Die Musikerinnen der russischen Punk-Band Pussy Riot müssen für zwei Jahre ins Gefängnis. Ein Gericht in Moskau verurteilte die drei Frauen am Freitag wegen Rowdytums motiviert durch religiösen Hass. Die Bandmitglieder hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mit einem sogenannten Punk-Gebet gegen den damaligen Regierungschef und jetzigen Präsidenten Wladimir Putin protestiert.
Vor dem Urteil hat die Polizei am Freitag das Gerichtsgebäude in Moskau mit einem Großaufgebot umstellt. Die Polizisten sperrten die angrenzenden Straßenzüge mit Metallbarrieren weiträumig ab, um eine Kundgebung von Sympathisanten vor dem Gericht zu verhindern.
Bei der Aktion wurde der Oppositionsführer Sergej Udalzow festgenommen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Interfax am Freitag. Udalzow überschritt demnach eine Absperrung der Polizei vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes und wurde nach kurzer Verhandlung mit den Beamten abgeführt.
Das Urteil durch das Chamownitscheski-Gericht wurde um 13.00 Uhr MESZ bekannt gegeben. Die zuständige Richterin Marina Syrowa stand unter Polizeischutz, weil sie nach Angaben der Behörden bedroht wurde. Geht es nach dem Willen der Anklage, sollen die drei jungen Musikerinnen mit drei Jahren Haft für ihre Anti-Putin-Aktion im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale büßen.
Mit dem Urteilsspruch verkündet Richterin Syrowa aus Sicht von Unterstützern der Angeklagten auch ein Urteil über die Toleranz Putins gegenüber der Opposition. Nach Meinung der Kritiker steht der Prozess für die Gefährdung von Freiheitsrechten und das enge Verhältnis zwischen Staat und orthodoxer Kirche, deren Patriarch Kiril Putins Präsidentschaft als „Wunder Gottes“ preist. „Unsere Inhaftierung ist ein klares und eindeutiges Signal, dass dem ganzen Land die Freiheit genommen werden soll“, schrieb die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa aus dem Gefängnis.
Weltweite Solidarität
Für die Musikerinnen im Alter von 22, 24 und 30 Jahren setzten sich Popstars wie Madonna oder Paul McCartney ein. Die USA sprachen von einem politisch motivierten Prozess und auch die Bundesregierung kritisierte den Umgang des russischen Staates mit der Meinungsfreiheit. Die andauernde Untersuchungshaft der drei jungen Frauen sei unverhältnismäßig, monierte der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning. Ihre Aktion sei allenfalls als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Weltweit wurde für Freitag zur Unterstützung für Pussy Riot aufgerufen, darunter auch in mehreren deutschen Städten wie Berlin und München.
In Hamburg haben etwa 100 Menschen für die Freiheit der Aktivistinnen demonstriert. Mit Masken versammelten sich die Protestler am Mittag auf dem Tschaikowskyplatz an der Russisch-Orthodoxen Kirche des Heiligen Johannes von Kronstadt. Über das soziale Netzwerk Facebook hatte es zuvor 273 Zusagen gegeben. Es sei zunächst alles ruhig verlaufen, sagte ein Polizeisprecher in der Hansestadt.
Dass ein hartes Urteil gegen die Frauen, von denen zwei kleine Kinder haben, auch seinem Ansehen schaden würde, hat wohl auch Putin erkannt. Mitten im laufenden Verfahren plädierte der studierte Jurist Putin für Milde. Die Verteidiger von Pussy Riot sind überzeugt, dass das Urteil nicht vom Gericht geschrieben, sondern vom Präsidialamt diktiert wird.
Der inhaftierte ehemalige Ölunternehmer Michail Chodorkowski verurteilte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Abhängigkeit der russischen Justiz vom Kreml. „Das Ziel ist es, Kritikern des Regimes eine Lektion zu erteilen“, sagte Chodorkowski. Das Gericht werde „nur ein Urteil bestätigen, das anderswo aufgeschrieben wurde - in der Staatsanwaltschaft oder irgendeiner anderen staatlichen Instanz“.
Chodorkowski war 2003 festgenommen worden und im selben Gericht in Moskau zu langen Haftstrafen verurteilt worden, in welchem am Freitag die Urteile gegen Pussy Riot gefällt werden.
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