piwik no script img

Unversehens viel Grün in der VerkehrspolitikHeimliche Radler-Förderung

Der Senat hat den Etat für den Fahrradverkehr verdoppelt. Die Nachricht ging in der Aufregung des Regierungswechsels unter. Wo das Geld investiert wird, ist unklar.

Verkehrsmittel für Hartgesottene: Radfahrer auf verschneiter Straße. Bild: dpa

Der Senat hat den Etat zur Förderung des Fahrradverkehrs für die Jahre 2011 und 2012 kräftig aufgestockt - und keiner hat's gemerkt. Statt dieses Engagements für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik an die große Glocke zu hängen, hat es die damalige schwarz-grüne Koalition mehr oder weniger verschwiegen.

Der unzeitige Regierungswechsel habe die Grünen daran gehindert, mit diesem politischen Schwerpunkt an die Öffentlichkeit zu gehen, sagt Till Steffen, der verkehrspolitische Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion. Zwar hat die SPD den entsprechenden Etat im Haushalt nicht angetastet, Steffen bezweifelt jedoch, dass das Geld tatsächlich komplett dem Radverkehr zugute kommt.

Schon lange gilt für die Hamburger Verkehrspolitik das Ziel, den Anteil des Fahrradverkehrs kräftig zu erhöhen. 2002, bei Regierungsantritt der CDU, lag er bei neun Prozent, 2008 bei zwölf Prozent. Bis 2015 soll er auf 18 Prozent steigen.

Das Engagement der Senate für dieses Ziel war unterschiedlich: Im letzten Haushalt der rot-grünen Koalition 2001 waren 4,4 Millionen Euro für den Fahrradverkehr veranschlagt. Die Schwarz-Schill-Koalition kürzte ihn 2002 auf 200.000 Euro. 2010 unter der damaligen schwarz-grünen Regierung waren wieder 4,8 Millionen veranschlagt. Für die Jahre 2011 und 2012 hat Schwarz-Grün diesen Betrag fast verdoppelt - jeweils 9,23 Millionen wurden für die Sanierung und Instandhaltung des Radverkehrsnetzes bereitgestellt.

Mehr Radfahrer

Die SPD möchte mehr Menschen dazu bringen, Fahrrad zu fahren.

Eine Erhebung von 2008 zeigt, dass sich 12,2 Prozent der Hamburger mit dem Fahrrad fortbewegen.

Der Stadtteil Altona hat mit 17 Prozent die meisten Radfahrer.

Mitte und Harburg sind mit sechs bis sieben Prozent die Fahrradmuffel.

Das Ziel, bis 2015 den Anteil des Fahrradverkehrs auf 18 Prozent zu steigern, hält der SPD-Senat für unrealistisch.

2012 will die Stadt sechs sogenannte Velorouten - Hauptstrecken für den Fahrradverkehr - ausbauen. Radfahr- und Schutzstreifen sollen angelegt und die Befahrbarkeit verbessert werden. Außerdem fließen von den 9,23 Millionen zwei Millionen in den weiteren Ausbau des Projekts Stadtrad. In diesem Jahr beginnt der Bau von acht weiteren Standorten. Weitere 1,5 Millionen aus dem Haushaltstopf werden an die Bezirke verteilt.

Mit welchem Schwerpunkt die restlichen 5,73 Millionen ausgegeben werden, ist unklar. Der Etat umfasse neben der Sanierung der Geh -und Radwege den Bau von Bike&Ride-Abstellplätzen, sagt Susanne Meinecke, die Sprecherin der Verkehrsbehörde.

Till Steffen von der GAL kann nicht erkennen, dass das ganze zur Verfügung stehende Geld aufgebraucht würde. Die schwarz-grüne Regierung habe weit mehr Vorhaben 2012 beschlossen, als die SPD jetzt plane. Er befürchtet, dass der Etat für den Radverkehr "zur Spardose der SPD" werde. Außerdem würden die Chancen, die durch die Umsetzung der bereits festgelegten Ausbau- und Sanierungsarbeiten entstünden, von der SPD nicht genutzt.

"Man soll das Geld nicht in den maroden Flickenteppich der Radwege investieren", findet Dirk Lau, Vorstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Besser solle das Geld flächendeckend in Radstreifen gesteckt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • M
    Milchmädchen

    Um 9 Mill Euro kleinteilig umzusetzen bräuchte man 20 Fachleute in den Bezirken, denn das macht sehr, sehr viel Arbeit (Bürokratie). Da die Bezirke keine Leute haben, geht das Geld in sinnlose Grossprojekte wie die Trasse durch den Grossmarkt. Dann kann wenigstens der Bürgermeister mal wieder ein rotes Band durchschneiden.

    Auf den Schlaglochpisten in der Stadt wird davon kaum etwas ankommen.

  • O
    olaf

    Solange Autofahrer die Umwelt verpesten, uns Fußgängern, Kindern und Radfahrern den Platz auf den Straßen nehmen und obwohl sie (zuwenig) Steuern zahlen sich rücksichtslos nicht an die Verkehrsregeln halten, bin ich gegen jegliche weiteren Ausgaben von Steuergeldern für Autofahrer.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern wie Stephan Mirwalt gegenüber nichts als Verachtung.

  • P
    Paula

    Solange Fußgänger kein Kennzeichen tragen, sollten alle Gehwege zugunsten von breiteren Straßen beseitigt werden. Ich fahre nur mit dem Auto und empfinde Fußgängern gegenüber nichts als Verachtung.

     

    Spaß beiseite:

     

    Es wird Zeit, dass die lärmenden, stinkenden und extrem subventionierten Blechkisten aus den Städten verschwinden. Sie beanspruchen unerhört viel Platz, der in Städten sehr teuer ist und für die umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer bleiben nur noch Randstreifen. Das muss aufhören. Das Automobil ist ein Auslaufmodell. Der Radverkehr gehört in Städten grundsätzlich auf die Fahrbahn. Radwege sind durch nichts mehr zu rechtfertigen, zu teuer und zu gefährlich.

  • R
    Runde-Ecke

    Fahrradetats fallen oft dem Kannibalismus der Verwaltung auf örtlicher Ebene zum Opfer, z.B. wenn es an Geld für die Grundinstandsetzung von Strassen mangelt, die ja sehr sehr teuer ist. Dann schnappt man sich SPD-seitig (Tiefbauabteilung) die Fahrradkohle und lässt die Radler leer ausgehen. Hamburg-Nord ist ein excellentes Beispiel. Als Rechtfertigung dient dann der Verweis auf die Wichtigkeit der Strassenoberflächen für die vielen vielen Pendler, die ja jeden Tag und bla.

    Wer die wirtschaftlich motivierten politischen Beharrungskräfte in der altpreussisch geprägten SPD kennt, weiss, dass sich an den wirklich skandalösen Verwaltungsverbrechen in der Stadt nichts ändern wird, egal welcher Politikverkäufer gerade den Kameras die Stirn bietet und sein Sprüchlein aufsagt.

  • MR
    Michael Rothschuh

    9 Mio. Euro, das hört sich an als sei das viel; man sollte es aber vergleichen mit dem, was für Straßen ausgegeben wird, die niemand braucht und die nie gebaut werden. Allein im Etat 2011/2012 sind wieder einmal 8,6 Mio. Euro vorgesehen für die so genannte Hafenquerspange, eine Autobahn, die von Moorburg mitten durch Wilhelmsburg nach Stillhorn verlaufen soll. Es soll ein "Planfeststellungsverfahren" geben, obwohl die Straße nicht einmal im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans steht, geschweige denn im Invistitionshaushalt des Bundes. An der Planung sind seit 30 Jahren schon viele Senate gescheitert; dass der Bund nun zahlt und dass die BewohnerInnen der betroffenen Stadtteile diese Planung durchgehen lassen ist nicht zu denken. Es ist schlicht: Geld herauswerfen für Planungsfirmen, die die Aufgabe haben, Papiere zu entwerfen, die wieder einmal im Papierkoprb landen werden. Welch ein hervorragendes Fahrradwegesystem könnte sich die Stadt leisten, wenn sie das Geld dafür ausgäbe!

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Solange Fahrradfahrer kein Kennzeichen führen, keine Steuern zahlen und sich nicht an die Verkehrsregeln halten, bin ich gegen jegliche Ausgabe von Steuergeldern für Radler.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Auto und empfinde Fahrradfahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • R
    Radeljochen

    Unter der SPD wird es keine wirkliche Förderung des Radverkehrs geben.

    Aber auch als der Radverkehr in der vorherigen Regierung von den Grünen betreut wurde, ist nichts substantielles passiert. Daran sollte sich Till Steffen immer erinnern. Wo das Geld investiert wird kann Herr Steffen doch ganz leicht mit einer Anfrage klären. Wahrscheinlich wird das Geld wieder in roten Radwegen verbuddelt, die teuer und brandgefährlich sind.