Unkeusche Bücher bei Weltbild: Bischöfe zur Reinheit getrieben
Die katholische Kirche will den Weltbild-Verlag exkommunizieren, auch wegen Erotiktiteln. Damit würde sie sich von ihrem größten weltlichen Unternehmen trennen.
Katholiken haben sich mit nackten Tatsachen auch schon mal leichter getan. Üppige Weiblichkeit mit entsprechenden Rundungen waren nicht nur im Barock gern gesehen, solange sie - nun ja - gottgefällig waren.
Und so ließe sich trefflich darüber spotten, dass der katholischen Kirche nun ausgerechnet eines ihrer größten weltlichen Wirtschaftsunternehmen unter anderem wegen erotischer Verstrickungen so gar nicht mehr gottgefällig scheint.
Die Weltbild-Verlags- und Buchhandelskette (unter anderem Anteile an Droemer-Knaur, Kooperationen mit Hugendubel), die auch die Literaturresterampen Jokers und Wohlthat sowie den zweitgrößten Onlineversender umfasst, wird also exkommuniziert. Baldmöglichst und auf allerhöchsten Beschluss der katholischen Bischöfe. Zum Verhängnis wurden Weltbild vor allem online zu erwerbende Schriften wie "Zur Hure erzogen" oder "Preis der Begierde".
Alle Versuche "die internetgestützte Verbreitung sowie die Produktion von Medien, die den ideellen Zielen der Gesellschafter widersprechen, im eigenen Bereich und im Bereich der Unternehmensbeteiligungen hinreichend zu unterbinden", seien gescheitert, zitiert die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) die Begründung der Bischöfe.
Magere Gewinne
Allein: Die Verkaufsabsicht ist nicht wirklich taufrisch, seit Jahren schon gärt das amtskirchliche Unglück über den ihr zu bunt geratenen Vogel mit Sitz in Augsburg, der eigentlich natürlich auch der Verkündung dienen sollte. Dass die katholische Kirche nun mal eben einen Konzern mit einem Jahresumsatz von rund 1,6 Milliarden Umsatz loswerden will, mag laut Insidern auch damit zu tun haben, dass der Betrag, der von dort ins Kirchensäckel floss, gar nicht so üppig war: Mit rund 6.500 Mitarbeitern sei der Laden überbesetzt und zu teuer geführt worden, heißt es jetzt, selbst in guten Jahren hätte Weltbild nur magere Gewinne überwiesen.
Doch taugt all das nicht zur Erklärung. Die Bischöfe sind vielmehr auch Getriebene des erstarkenden Rechtskatholizismus im Lande, der am Fall Weltbild sein konservatives Mütchen kühlte - und sich dabei natürlich trefflich auf die jüngsten Papstworte von der gefälligst zu vollziehenden Entweltlichung der Kirche berufen konnte. Websites wie kath.net oder die erzkatholische und erzkonservative Würzburger Tageszeitung Tagespost haben in den vergangenen Wochen Jagd auf Weltbild gemacht.
"Jetzt konsequent sein!", forderte die Tagespost am Freitag, als es in Sachen Weltbild erste personelle Konsequenzen gab, die ihr nicht weit genug gingen. Für kath.net ist der "Weltbild-Skandal" sowieso nur "die unendliche Geschichte", und ein Leser empfiehlt, die einschlägigen Titel als "Lehrmaterial" einzusetzen, um zu zeigen, "was Sünde ist". Die Bischöfe kritisierten laut KNA denn auch die "verzerrende und unangemessene Weise der publizistischen Auseinandersetzung mit den anstehenden Fragen namentlich in Medien, die der Kirche nahestehen".
Und noch einer hat seinen Spaß: Unsere olle Axel Springer AG. Der Weltbild-Verkauf ist Bild eine Titelmeldung wert, der großen Welt einen eindringlichen Kommentar, es gibt sogar eine ganze Seite in der sonst mit solchem Ballast nicht befassten Welt kompakt.
Was die Frage aufwirft, ob hier nur das private Glaubensbekenntnis einiger führender Springer-Manager durchschlägt - oder der Medienkonzern demnächst einen größeren Deal zu verkünden hat. Zur Online-Strategie des Hauses würde der zweitgrößte deutsche Internet-Buchversender nach Amazon jedenfalls passen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen