Treibhausgas aus trockengelegten Mooren: Im Klimasumpf von Borneo
Umweltschützer versuchen, in einem Nationalpark Moore vor dem Austrocknen zu bewahren und Wälder aufzuforsten. In der Nähe wird weiter abgeholzt und entwässert.
PALANGKARAYA taz | Das Schnellboot steuert aus dem kleinen Hafen von Kereng Bengkirai und nimmt mit röhrendem Motor Fahrt auf. Das Wasser des Sebangau-Flusses im Süden von Borneo, rötlich-braun wie der Earl-Grey-Tee zum Frühstück, spritzt als Gischt in die Luft.
Rechts und links zieht sich über Stunden eine grüne Landschaft hin: Meterhohe Stengel des Rasau-Strauchs, die aussehen wie Yucca-Palmen mit scharfen Dornen, bilden eine Wand am Ufer. Bis zum Horizont öffnen sich Überschwemmungsgebiete, sumpfiges Gelände voll schwarzem Wasser, am Horizont beginnt der Wald. Ein Weißkopfadler gleitet über den Fluss.
Der Sebangau-Nationalpark erscheint wie ein tropisches Paradies. In Wirklichkeit ist die Flussfahrt ein Trip durch eine ökologische Trümmerlandschaft. Denn bis vor wenigen Jahrzehnten war der Sebangau kein Wiesenfluss, sondern von tropischen Regenwald gesäumt.
Deutschland: Moor hat auch hierzulande keine Lobby. Seit 200 Jahren wird eifrig trockengelegt oder Torf abgebaut. Heute belasten diese Gebiete das Klima immer noch mit soviel Treibhausgasen wie der gesamte deutsche Flugverkehr, haben Experten berechnet. Wollte man das rückgängig machen, müsste man in großem Stil Äcker und Wiesen wieder zu Sumpf machen - der Alptraum jedes Landwirts. In Deutschland werden Moore nur geschützt, um die seltenen Tiere und Pflanzen zu erhalten. Von Klimaschutz ist da nicht groß die Rede.
Beispiel Brandenburg: In der Nähe des Ortes Nassenheide liegt das 16 Hektar große „Möllersche Luch“. Doch dass man wie am Sebangau bis zum Knie im schmatzenden Moor versinkt, kommt hier nicht vor. „Das war hier mal ein Kleinod, aber jetzt ist es eher Steppe als Feuchtgebiet“, sagt Christian Klingenfuß, Bodenexperte von der Humboldt-Universität Berlin. In einem halben Meter Tiefe findet man echten Torf, er stammt aus der Zeit, als Friedrich der Große in Preußen die Sümpfe trockenlegen ließ. (bpo)
Anderswo stellt man ökologisch wertvolle Gebiete unter Schutz, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. Hier lief es andersherum. Erst als die wertvollsten Bäume gerodet, der Sumpf entwässert und die Population von Orang-Utans halbiert worden war, machte die Regierung 2004 aus diesem Stück verbrannter Erde einen Nationalpark.
Der Auspuff Indonesiens
Die Bäume und Affen haben jetzt ihre Ruhe. Das Klima nicht: Denn der Sebangau und seine Umgebung, ein Gebiet so groß wie Schleswig-Holstein, sind Klimakiller ersten Ranges. Was früher die grüne Lunge Borneos war, ist zum Auspuff Indonesiens geworden.
Die entwässerten Moore gasen das Klimagift Kohlendioxid aus – in unglaublichen Mengen: Fast zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid steigen aus dem Entwicklungsland jährlich in die Atmosphäre, doppelt so viel wie Deutschland produziert. Mehr Dreck als Indonesien machen nur China und USA.
Jetzt gibt es zum ersten Mal ein bisschen Hoffnung: Bei der Bonner Klimakonferenz vom 14. bis 25. Mai reden die Unterhändler auch darüber, die Rettung von Feuchtgebieten als eine Maßnahme zum Klimaschutz offiziell anzuerkennen. Was bisher nur dem Wald vorbehalten war, soll seit der Konferenz von Durban Ende 2011 auch für Moore gelten: Die natürliche Einlagerung des Klimagiftes Kohlendioxid irgendwann mit Geld aus den Industrieländern zu unterstützen.
Obwohl die Moore weltweit nur drei Prozent der Landfläche ausmachen, binden sie 500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, doppelt soviel wie alle Wälder zusammen. Allein in der Provinz Zentral-Kalimantan auf Borneo, wo der Sebangau-Park liegt, ruht soviel Kohlenstoff im Torf wie Deutschland in 20 Jahren an Treibhausgasen in die Luft bläst.
Lunte an der Kohlenstoff-Bombe
Die Lunte an dieser Kohlenstoff-Bombe ist eigentlich ganz einfach auszutreten: Dazu reichen vier Metern lange Planken aus Eisenholz, einer guten Fundierung, 400 Euro und einer Menge dreckiger Arbeit im schwarzen Schlamm, der hartnäckig unter den Zehennägeln bleibt.
Bei der Rangerstation „SSI-Camp“ im Sebangau-Park zeigt Adventus Panda vom Umweltverband WWF den Damm, der das Wasser im Moor zurückhält. In dieser ehemaligen Holzfällerstation gibt es jetzt eine Baumschule mit Setzlingen für die Aufforstung, ein Zuchthaus für Orchideen und Makaken-Affen in den Bäumen.
Vor allem aber gibt es eine einfache Lösung für den Klimafrevel aus dem Moor: Sobald die Entwässerung gestoppt wird, binden die nassen Torfböden CO2, statt es durch Ausgasung oder Brände freizusetzen. Insgesamt etwa 500 kleine und mittelgroße Staudämme in den Kanälen haben die Umweltschützer in den letzten Jahren errichtet, unterstützt von Prominenten wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Arnold Schwarzenegger oder Bill Clinton. Ein paar hundert Meter ins Moor hinein hat der WWF den Wald aufgeforstet und gibt den Promis die Chance, ihre gute Tat gegen eine Spende mit einem Schild zu verewigen.
Biertrinken für die Moor-Rettung
Denn der Klimaschutz braucht Cash. Die indonesischen Behörden haben jahrelang an den Holz-Konzessionen verdient, die Firmen haben Geld mit dem Raubbau gemacht. Aber der Nationalpark ist so unterfinanziert, dass die freiwillige Feuerwehr aus Kereng Bengkirai nicht mal ein eigenes Boot hat, um in den Park zu fahren, wenn der Wald mal wieder brennt.
Finanziert wurde die Moorvernässung auf einer Fläche doppelt so groß wie Berlin von deutsche Firmen, vor allem von der Krombacher-Brauerei, die pünktlich zur Fußball-EM wieder mit ihrem Klimaschutz-Engagement wirbt. Selten lässt sich irgendwo so billig und effektiv Klimaschutz betreiben wie in den indonesischen Torfmooren. Für eine vermiedene Tonne Treibhausgase entstehen hier Kosten von 1,50 Euro. Wenn man in Deutschland Häuser dämmt, kostet das etwa 50 Euro.
Aber das WWF-Projekt im Sebangau ist nur ein Tropfen auf einen Hot Spot des Klimawandels. 30 Kilometer weiter nordöstlich liegt Kameloh Baru, eine Ansammlung von Hütten, die auf Stelzen über einem Kanal stehen. 300 Menschen leben hier, es gibt Strom und Wasser aus dem eigenen Brunnen, schlanke rote Hühner gackern auf dem Weg, in kleinen Läden werden Süßigkeiten und Plastikkitsch verkauft. Im warmen Abendlicht sieht das Dorf nach Idylle aus, mit kickenden Jungs und kichernden Mädchen und einem Bürgermeister, der Bakarim heißt und sagt: „Das ist ein guter Platz hier, keiner denkt ans Wegziehen.“
Holländischer Polder statt Mega-Reis
Aber neben dem Kanal beginnt die grüne Steppe des ehemaligen „Mega-Reis-Projekts“: Für die fixe Idee des ehemaligen Diktators Suharto wurden hier Ende der 90er Jahre eine Million Hektar Regenwald gerodet, um Reis anzubauen und arme Bauern aus Java umzusiedeln. Der Reis wuchs nicht. Aber der Wald war weg, das Land entwässert.
Heute sieht die Gegend zu großen Teilen aus wie ein holländischer Polder: 4.000 Kilometer an Kanälen, Büsche, niedrige Bäume. „Als der Wald noch stand, hat es hier nie gebrannt, jetzt passiert das immer wieder“, sagt Dorfchef Bakarim. 1997/98 tobten Waldbrände durch die Gegend, deren Rauch wochenlang über Südostasien stand und ganz Borneo lahm legte.
Das „Mega-Reis-Projekt“ wird noch lange eine offene Wunde bleiben: Für die Vernässung fehlt das Geld, die Hydrologie ist kompliziert, da lassen die Behörden lieber alles, wie es ist. Geld erhoffen sich die Regierung, die NGOs und die lokalen Behörden von der Zauberformel „REDD“. Das steht für einen Mechanismus unter der UN-Klimakonvention, mit dem Geld fließen soll, wenn Staaten ihre Regenwälder nicht abholzen.
Norwegen hat dem Land dafür eine Milliarde Dollar versprochen, doch bisher steht REDD in Indonesien noch nicht mal ordentlich auf dem Papier. Es fehlen Standards zur Anrechnung der Emissionsreduzierung, und manche der 40 REDD-Pilotprojekte werden so schlecht gemanagt, dass sie mitten in der Projektphase eingestellt werden. Einheimische Umweltschützer kritisieren, mit REDD kauften sich die Industriestaaten von ihren Klimazielen frei. Und schließlich ist niemandem klar, ob REDD-Gelder an ihrem Ziel ankommen würden. Indonesien steckt laut „Transparency International“ tief im Morast der Korruption.
Ungebremster Hunger nach Land
Zugleich treibt die Landwirtschaft die Entwicklung voran. Vor allem für Palmöl-Plantagen, die den Weltmarkt für Treibstoffe oder Lebensmittel bedienen, sind in Indonesien bereits zehn Millionen Hektar Wald gefallen. Der Hunger nach neuem Land ist ungebremst: Bis 2025 will die indonesische Regierung 25 Millionen Hektar ausweisen, zehn Millionen davon auf Borneo.
Wie das aussieht, zeigt sich an der neuen Straße nach Baun Bango am Nordrand des Sebangau-Parks. Rechts und links der Schlammpiste stehen die erst kürzlich verbrannten Stümpfe der Urwaldriesen, das Land wird mit Kanälen entwässert. Zwischen den Baumleichen werden Gummibäume und Ölpalmen gepflanzt.
„Jawita 50 x 500“ steht auf einem handgemalten Schild: Hier roden einzelnen Familien das Land, um davon zu leben. Der Wald ist bereits etwa hundert bis zweihundert Meter von der Straße verschwunden, manchmal bis zum Horizont. Dazwischen zeigt sich schwarzer Moorboden, der vom Regen noch feucht dampft. Was man nicht sieht, sind die Klimagase.
Eine neue Studie der US-Universität Yale warnt, dass neue Plantagen auf Moorböden in Borneo die „verheerende Klimabilanz von Palmöl“ noch weiter verschlechtere. Sie zu verhindern sei „eine der wichtigsten Maßnahmen zum Klimaschutz“.
Schwarze Baumskelette ragen in den Himmel
Die Realität sieht anders aus. Ein Stück hinter den privaten Rodungen hat die indonesisch-chinesische Palmölfirma „Arjuna Utama Sawit“ ihr Lager am Fluss Katingan aufgeschlagen: Drei riesige rote Dieseltanks rosten hinter einem klapprigen Traktor vor sich hin.
Die Mittagssonne brennt auf ein paar Hütten. Neben einem offenen Schuppen, wo ein Totenkopf-Schild vor dem Düngerlager warnt, spielen die Kinder der Farmarbeiter im Schatten. Hinter den Hütten ragen schwarze Baumskelette in den Himmel.
Zusammen mit den Anwohnern versucht der „Community-Manager“ Jati hier, eine Plantage anzulegen. Wachsen die Palmen auf dem Torfboden überhaupt die geplanten 25 Jahre? „Wir haben keine Erfahrung“. Was wird das an Einkommen bringen? „Wissen wir nicht“. Klar ist nur eins: Es fallen mal eben 12.000 Hektar Regenwald. Fast die Hälfte der Fläche, die WWF und Krombacher mit viel Mühe und 700.000 Euro im Sebangau-Nationalpark renaturiert haben.
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