Streit zwischen ARD und Verlegern ums App: Einigung bis Karneval
Die Verleger machen Druck auf die ARD und ihr "tagesschau"-App. Doch auf der Sitzung der ARD-Intendanten in Erfurt war wenig Kämpferisches zu vernehmen.
ERFURT taz | Natürlich kann man den Dauerstreit von Öffentlich-Rechtlichen und Verlagen über die jeweilige Flughöhe im Internet auch so sehen: Da es ohnehin um einen Zopf von gestern geht, kann man schon schon mal Zugeständnisse machen. In der ARD sind sich die IntendantInnen jedenfalls einig.
Die Kuh muss vom Eis. "Wir ziehen an einem Strang und sind uns in der Zielsetzung völlig einig", sagt also Monika Piel nach der ARD-Konferenz in Erfurt. Und dass man den Verlegern zu weit entgegenkomme, sei ja auch nicht wirklich der Fall. Schließlich gebe es ja eine "Art Verantwortungsgesellschaft, bei der auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk dafür sorgen will, dass unsere sehr vielfältige Presse erhalten bleibt".
Also: "Wir sind auf einem guten Weg, so schwierig das Thema für uns wie auch für die Verlegerseite ist", sagt die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin. Und das Meinungsverschiedenheiten unterwegs keine große Sachen wären: "Es gibt immer viele Menschen, die Ängste haben, wenn sich etwas ändert", so Piel zu der Kritik der Redakteursvertretungen der öffentlich-rechtlichen Sender (Agra), die die Zukunft von ARD und ZDF gefährdet sehen.
Eine medienpolitische Entscheidung
Den Vorwurf, dass längst nicht alle IntendantInnen und auch die Gremien nicht in den Verhandlungsprozess eingebunden zu haben, lässt der Senderverbund nicht auf sich sitzen. "Solche Papiere sind immer Kompromisse von beiden Seiten", sagt Piel, und verweist noch einmal darauf, dass es hier in erster Linie darum geht, eine "medienpolitische Entscheidung zu treffen."
Und dass sei bitteschön doch "klar die Kompetenz der Intendanten". Bzw. der von der ARD mit ihr, Ulrich Wilhelm (Bayerischer Rundfunk) und Lutz Marmor (NDR) besetzten Verhandlungsgruppe. Bei den Verlegern könne ja auch "nicht jedes Mitglied, dass im Verlegerverband BDZV organisiert ist, teilnehmen".
Was nun im Einigungspapier, das weiterhin "zeitnah" verabschiedet werden soll, drinsteht, bleibt nebulös. Immerhin so sperrige Vokabeln wie "funktionales Äquivalent" sind darin nicht offenbar mehr zu finden. Es gehe, betonen beide Seiten, um eine Art weitgefasste Absichtserklärung. Und da wären ungenaue Begriffe, an denen sich sofort wieder Streit entzündet, alles andere als brauchbar.
Der Streit um die "tagesschau"-App der ARD, gegen die acht Großverlage einen Prozess angestrengt haben, stehe dabei auch gar nicht im Vordergrund, sagt Piel. Um eine Abschaffung der kostenlosen App gehe es schon gar nicht.
Und selbstverständlich würden auch die Gremien zeitnah informiert, wenn die Einigung da ist. "Jetzt geht es noch um einzelne Punkte, die wir mit den Verlegern klären wollen". Ob die weiterhin App-frei bleiben, wird sich zeigen. Im Verlegerlager hieß es gestern, natürlich brauche man eine allgemeine Verabredung und freue sich, dass sich die ARD in die richtige Richtung bewege.
Allerdings ist damit weniger das klassische Internet gemeint, in dem mediale Angebote fast aller Beteiligter ohnehin weitestgehend kostenlos sind. "Uns geht es um die Apps, weil es hier ein brauchbares Bezahlmodell gibt."
ARD nimmts mit Humor
Humorlos nimmt die ARD das Gezerre immerhin nicht. Gestern saßen erstmals gut gelaunt die nunmehr drei Intendantinnen der ARD nebeneinander in Erfurt auf dem Podium.
Neben Monika Piel ist das zunächst mal Dagmar Reim (RBB). Sie ist als neue Aufsichtsratschefin für die Filmhandels- und Produktionstochter Degeto zuständig, bei der nun auch ganz offiziell zwar kaufmännische Mängel zu beklagen waren, aber der ARD "kein Schaden entstanden ist". Die Mängel seien bereits abgestellt. Künftig regiert eine klar organisierte Doppelspitze über den 400 Millionen-Euro Etat, der zuletzt vom darob gestolperten Geschäftsführer schon mal auf Jahre vorab ausgegeben worden war.
Und dann ist da noch Gastgeberin Karola Wille. Die hat bei ihrem MDR noch ein bisschen mehr aufzuräumen, bedankt sich für das Bekenntnis zum Kinderkanal, in dessen Räumlichkeiten die ARD tagte, und möchte so viel dann doch nicht sagen. Ja, sie sei nun zwar rund 100 Tage im Amt, aber "ich möchte meine erste Bilanz doch vor den MDR-Gremien ziehen", sagt die MDR-Chefin.
Für Volker Herres sind das ganz neue Erfahrungen: Er sitzt zwar auch dabei, kommt anders als sonst aber kaum zu Wort. Selbst zum Reizthema Gottschalk bleibt das so: Dass die ARD da "einen ganz langen Atem haben wird", sagt nämlich Monika Piel.
Die Einigung mit den Verlegern, war am Rande zu hören, werde übrigens bald perfekt sein – spätestens zu Karneval.
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