Streit um neues Meldegesetz: Datenschützer fordern Änderungen
Die Weitergabe von Meldedaten soll weiter eingeschränkt werden, fordern Datenschützer. Am Freitag entscheidet der Bundesrat darüber.
BERLIN taz | Wer Sönke Hilbrans von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz zuhört, gerät ins Schwärmen: Jedes Meldeamt soll zukünftig seine Bürger um Erlaubnis bitten, bevor es Daten wie Name oder Adresse an Firmen weitergibt. Der Zweck der Datenabfrage muss klar und verständlich sein. Und alles frei von Täuschung.
Hilbrans ist aber kein Träumer, sondern Jurist. Am Dienstagmorgen äußerte er in Berlin zusammen mit Vertretern der Bundesverbraucherzentrale, dem Politnetzwerk Campact und den Datenschützern vom FoeBud starke Kritik am geplanten Meldegesetz der Bundesregierung. Gemeinsam bilden sie das Bündnis „Meine Daten sind keine Ware“.
„Ein solches, zwangsweises Meldewesen ist in Europa einzigartig und verstößt gegen geltendes EU-Recht“, sagte Hilbrans. Laut dem umstrittenen Gesetzesentwurf sollen private Firmen in Zukunft einfach Daten der Bürger beim jeweiligen Meldeamt abfragen können. Es sei denn, der Bürger widerspricht dem ausdrücklich. Diese sogenannte Widerspruchslösung war im Sommer kurzfristig in den Entwurf des Meldegesetzes eingefügt und in 57 Sekunden durch den Bundestag gejagt worden.
Von diesem Parlamentsbeschluss war am Ende sogar die Bundesregierung überrascht. Nun schlagen der Innen- und der Rechtsausschuss des Bundesrats vor, die Firmen sollen die Einwilligungen der Bürger einsammeln und dem Meldeamt vermitteln. „Das würde die Meldeämter ins Chaos stürzen“, sagte Hilbrans. Auch Susanne Jacoby von Campact zeigt sich über den Vorschlag enttäuscht. Um effektiven Datenschutz zu gewährleisten, müsse der Entwurf die Einwilligung und Zweckbindung der Daten klar regeln, so Jacoby.
Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband geht in seiner Kritik noch weiter. Im Hickhack um den Gesetzesentwurf sieht er eine Verweigerung der Politik. Billen sagte, die Bundesregierung solle sich endlich klar positionieren, auch die FDP als liberale Partei sei hier in der Pflicht. Am kommenden Freitag geht der Gesetzesentwurf voraussichtlich an den Vermittlungsausschuss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen