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Streit um NobelpreisträgerAlle wollen Ivo

Ivo Andric war der bekannteste Autor Jugoslawiens, der einzige, der einen Literaturnobelpreis erhielt. Aber war er Serbe, Kroate – oder Bosnier? Darum wird jetzt gestritten.

Ivo Andric war vor allem eines - Jugoslawe. Das macht den aktuellen Streit umso bizarrer. Bild: Information Service Yugoslawia

Ausgerechnet zum Nobelpreis-Jubiläum gibt es Ärger mit dem Erbe des Schriftstellers Ivo Andric. Er war Jugoslawiens berühmtester Autor, sein Roman "Die Brücke über die Drina" machte ihn weltbekannt, vor fünfzig Jahren wurde er dafür mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Nun wollen die ehemaligen Teilrepubliken Serbien, Kroatien und Bosnien ihn für sich haben, als bräuchten die jungen Staaten, die aus Titos Jugoslawien hervor gegangen sind, jeweils einen Nationalschriftsteller, um sich ihrer Eigenständigkeit zu versichern – oder den Beweis dafür, dass die jeweils anderen immer schon die Bösen waren. Es ist nicht nur ein Streit um Literatur, sondern ein Streit, der die ganze Welt der nationalistischen Vorurteile und Feindschaften auf dem Balkan wieder aufkommen lässt.

Dass Andric auf Serbisch schrieb, werten serbische Literaturwissenschaftler als eindeutigen Beweis dafür, dass Andric aber in Wahrheit eben auch Serbe war. Für Kroaten hingegen war er Kroate, weil er als solcher geboren wurde. Alle Seiten würden ihn gerne in ihren jeweiligen Kulturkanon aufnehmen. Der Streit beschäftigt mittlerweile ein Gericht. Zwischendurch unterstellten Zeitungen aus Serbien: "Kroaten klauen Andric".

Es ist eine bizarre Auseinandersetzung, die viel erzählt über die Lage in Staaten, die vor zwanzig Jahren anfingen, unabhängig zu werden, die aber immer noch das Schicksal haben, als Ex-Jugoslawien bezeichnet zu werden.

Bild: taz

Die Ganze Geschichte und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 27./28. August. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

Andric allerdings eignet sich auch perfekt als eine Art Nationalheld, den jeder für sich vereinnahmen kann – wegen seines gesamtjugoslawischen Lebensweges. 1892 nahe der bosnischen Stadt Travnik wurde er als katholischer Kroate geboren, kämpfte für eine bosnische Widerstandsgruppe gegen die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie, die Bosnien nach dem Ende des Osmanische Reiches verwaltete. Später gehörte er dem Zagreber Nationalrat an, dessen Deklaration der Union von Serbien, Kroatien und Slowenien zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen quasi direkt ins Königreich Jugoslawien mündete, für das Andric als Diplomat tätig war, bis 1941 auch als Gesandter in Berlin.

Danach, mitten im Zweiten Weltkrieg, zog er sich aus der Politik zurück und schrieb an seinen Romanen. Sein wichtigstes Werk über die in Osmanischer Zeit erbaute Drina-Brücke im ostbosnischen Visegrad erschien 1945 – und wurde schnell als Symbol für "Brüderlichkeit und Einheit" adoptiert, das Motto des sozialistischen Staates Jugoslawien.

Wie Serben und Kroaten beweisen wollen, dass Ivo Andric ihnen gehört, welche Rolle bosnische Muslime bei der Bewertung von Andric’ Werk spielen und was der Regisseur Emir Kusturica mit alledem zu tun hat, lesen Sie in der Ganzen Geschichte der aktuellen sonntaz.

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9 Kommentare

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  • N
    nope

    Der ganze Artikel ist freigeschaltet und jetzt hier zu lesen:

     

    http://www.taz.de/Streit-um-jugoslawischen-Autor/!80957/

  • MG
    Max Grün

    Großartiger Text! Unbedingt die Langfassung lesen:

     

    http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=hi&dig=2011%2F08%2F27%2Fa0028&cHash=3d943a45d3

     

    (Warum die taz so gute Texte in ihrem Archiv versteckt, die dann nur über Umwege (Google) gefunden werden können, bleibt ein immerwährendes Rätsel.)

  • A
    Alena

    Der arme Ivo dreht sich im Grabe um.. unglaublich sind wir ex-jugoslaven! zum Glück haben wir nicht andere Probleme die wir angehen müssten..

  • R
    Robert
  • K
    Katalinic

    Der Taz-Artikel ist kein Kommentar sondern nur ein Auszug bzw. ein Abstract einer längeren Reportage.

     

    Die Anmerkungen von "Sinisa sa curpije"

     

    "Ivo Andric hat sich zu Lebzeiten selbst als Jugoslawe betrachtet (logischerweise ab 1945), wie jeder friedliebende Mensch zu dieser Zeit. Somit ist jede weitere Diskussion gegenstandslos und absurd. Diese Tatsache muss klar und deutlich formuliert werden, auch medial. Andric war Jugoslawe und wird es, in diesem Sinne, auch immer bleiben."

     

    ist zwar richtig, aber kein Argument gegen den Artikel, sondern nur gegen die ganzen nationalistischen Idioten egal welcher Coleur, die Andric für ihre bornierte Weltsicht vereinnahmen wollen. Dass Andric Jugoslawe war und für den Ethnoirrsinn egal ob serbischer, kroatischer oder bosnischer Spielart nichts übrig hatte, lässt sich klar und deutlich der gedruckten Langversion des Artikels entnehmen lässt, den die TAZ bedauerlicherweise noch nicht freigeschaltet hat.

     

    Daher die Frage an die taz-online-Mitarbeiter: Wird der gesamte Text denn demnächst noch freigeschaltet? Es wäre doch wirklich sehr schade, wenn die hervorragende Reportage nicht noch allgemein zugänglich würde.

  • AC
    Albert Cerny

    Danke für diesen schönen und treffenden Kommentar!

  • A
    andi

    guter kommentar

  • P
    PlaviPlavi

    Danke für deinen Kommentar Sinisa.

     

    Deine Kritik am Artikel und die Beschreibung der "wahren" Gründe der (Neu-)Nationalisten sind auf den Punkt.

     

    Aus pers. und fam. Erfahrung sehe ich das zB. diejenigen, die vor der Aufteilung Jugoslawiens ausgewandert sind sich auch heute noch meist als gebürtige Jugoslawen sehen, jetzt vielleicht noch kroatisch oder serbisch.

     

     

    P.S.

    Vielleicht könnte die TAZ wie zB. Gawker eine Kolumne "Kommentar der Woche" einführen. Perfektes win-win AAL wenn jemand einen Kommentar wie Sinista hier hinterlässt, der den eigentlichen Artikel so ideal erweitert/ergänzt, und gleichzeitig ganz für sich selbst stehen kann.

  • SS
    Sinisa sa curpije

    Worüber wird denn da eigentlich gestritten, liebe TAZ-Leser?

     

    Ivo Andric hat sich zu Lebzeiten selbst als Jugoslawe betrachtet (logischerweise ab 1945), wie jeder friedliebende Mensch zu dieser Zeit. Somit ist jede weitere Diskussion gegenstandslos und absurd. Diese Tatsache muss klar und deutlich formuliert werden, auch medial. Andric war Jugoslawe und wird es, in diesem Sinne, auch immer bleiben. Denn nur weil Jugoslawien plötzlich von der politischen Landkarte verschwunden ist, kann sich diese Tatsache doch nicht ändern. Oder ist Julius Cesar heute plötzlich nicht mehr Römer, sondern Italiener? Um nur ein absurdes Beispiel, in eine absurde Diskussion einfliessen zu lassen.

     

    Ivo Andric hat sich in der Blühte seiner Schaffenszeit für ein Leben in Belgrad entschieden, was nicht für irgendeine Form von „Serbentum“ spricht, sondern lediglich für die Schönheit dieser Stadt. Warum sich plötzlich vor allem nationalistisch orientierte Politiker in Kroatien und Bosnien zu Wort melden, wird wohl wenig mit ihrer Liebe zu Andric's Literatur gemein haben, als vielmehr mit der Tatsache, das er der einzige Literaturnobelpreisträger des ehemaligen Jugoslawiens ist. Man will dann doch wieder ein Stück vom „jugoslawischen Kuchen“, insbesondere wenn er so appetitlich funkelt und glänzt. Denn wäre er kein Nobelpreisträger, so mutmaße ich, würden viele dieser frisch-gebackenen Nationalisten mit höchster Wahrscheinlichkeit, Nichts von solch einem „cetnik“ und „Verräter“, hören wollen. Und so erwähnt man solche „Schimpfwörter“ lieber nicht, sondern denkt sie sich nur, während man dem westlichen Reporter erklärt, wie kroatisch, bosnisch oder was auch immer, unser guter alter Ivo doch war.

    Natürlich nutzt so manch einer dieser selbsternannten Literatur-Kenner, in diesem Zusammenhang auch die Chance, dem Kult-Regisseur Emir Kusturica an den „Karren zu pissen“. Denn schließlich ist er für dieses erwähnte Klientel, bekanntermaßen, die Reinkarnation des „Groß-Serbentums“, insbesondere mit seinen serbisch-nationalistischen Filmen, wie „Arizona Dream“ und „Maradona“, von denen diese Klientel, offensichtlich nicht einmal etwas gehört hat.

     

    Und so würde unser Ivo, über diese unverschämte Diskussion zu Lebzeiten, so mutmaße ich ein zweites Mal, nur herzlich und doch mit etwas Verbitterung schmunzeln. Anschließend eine kollektive Therapiestunde beim Psychiater vorschlagen und über dieses traurige Fleckchen Erde auf dem gebirgigen Balkan, einen neuen nobelpreisverdächtigen Roman schreiben, so wie wir es von einem glänzenden jugoslawischen Nobelpreisträger eben gewohnt sind.