Streit um Finanztransaktionssteuer: FDP will Steuerfreiheit für Zocker
Im Streit über die Finanztransaktionssteuer beharren die Koalitionspartner auf ihren Positionen. Die FDP lehnt eine Kompromisslösung für den Euroraum strikt ab.
BERLIN taz | Die Morgensonne streift gerade erst das Dach des Kanzleramts, da sind Angela Merkel und Philipp Rösler schon wieder uneins. Vor der Kabinettssitzung haben sich am Morgen dreißig AktivistInnen versammelt, um der Kanzlerin und dem Vizekanzler Entscheidungshilfe zu geben im Streit über die Finanztransaktionssteuer.
Beim Tauziehen darum stehen ein Rösler-Darsteller und eine Merkel-Darstellerin am Seil. Während der FDP-Mann kräftig in seine Richtung zieht, steht die CDU-Chefin unentschlossen dabei, die Hände vor den Bauch gelegt. "Merkel, lass das Zögern sein, komm ans Tau und reih dich ein!", rufen die Bürger ihr zu.
Der hier dargestellte Streit zwischen den Koalitionären muss geklärt werden. Während die Union einer Einführung der Steuer notfalls auch nur im Euroraum zustimmen würde, lehnt die FDP sie ab. Auch der finanzpolitische Sprecher der FDP, Volker Wissing, der zuletzt vorsichtige Kompromissbereitschaft angedeutet hatte, ist nun wieder auf den harten Kurs der Parteispitze eingeschwenkt.
Man sei zwar bereit, die Steuer auf der Ebene aller 27 EU-Mitgliedstaaten mitzutragen, so Wissing, aber nicht innerhalb des Euroraums allein. Alle oder keiner, so lautet die Losung der Liberalen. Die Liberalen fürchten unter anderem, dass Banken ins Ausland abwandern: "Wir lassen nicht zu, dass Arbeitsplätze verschachert werden", sagt Finanzexperte Wissing.
"Anlageformen deprivilegieren"
Angela Merkel hatte vor einer Woche den Streit eröffnet, als sie sagte, sie werde sich persönlich für die Steuer innerhalb der Eurostaaten einsetzen - dafür sei aber ein Konsens in der Koalition nötig. Doch danach sieht es nun gar nicht aus. "Ich sehe keinen Grund, über Kompromisse nachzudenken", sagt Wissing.
"Wir brauchen die Option, wenn die EU nicht zu Potte kommt", sagte dazu der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, mit Blick auf den Widerstand etwa von Großbritannien. Bei den Gesprächen über die Ausgestaltung der Steuer werde sich herausstellen, dass es auch im Interesse liberaler Klientel wie mittelständischer Firmen liege, "wenn wir bestimmte Anlageformen deprivilegieren", beruhigte Altmaier. Bis Ende März wird auf EU-Ebene über die Steuer verhandelt.
Klaus-Peter Flosbach, finanzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte der taz, Ziel der Steuer sei es, dass der Finanzsektor "angemessen und fair" an den Kosten der Krise beteiligt werde. "Dem kann sich auch die FDP nicht verschließen", argumentierte Flosbach. "Insbesondere wenn sich über die Eurozone hinaus auch andere Mitgliedstaaten für die Steuer entscheiden, steht die FDP unter Zugzwang."
"Redliche Finanzaktivitätssteuer"
In Unionskreisen kursieren schon Ideen, wie die bockigen Liberalen zum Einlenken bewegt werden können. Eine Möglichkeit wäre ein offener völkerrechtlicher Vertrag zur Transaktionssteuer. Den könnten nicht nur EU-Staaten unterschreiben, sondern auch andere. Wenn sich dann reichlich Unterstützer finden, so das Kalkül, kämen die Liberalen an der Kraft des Faktischen nicht mehr vorbei.
Die FDP jedoch blieb am Mittwoch bei ihrem Nein. Vor der Presse sagte Rainer Brüderle, es gehe "nicht um Kosmetik, sondern um richtige Lösungen". Er schlug vor, statt der Finanztransaktionssteuer eine "Finanzaktivitätssteuer" einzuführen. Mit ihr würden nur die Gewinne von Finanztransaktionen besteuert, das wäre dann "redlicher".
Ach ja, bei der Demo vor dem Kanzleramt fiel die Entscheidung der Kanzlerin nach einigem Hin und Her für die Transaktionssteuer aus. Sie nahm die Hände auseinander und packte - erst zögerlich, dann entschlossen - auf der Seite der Bürger mit an.
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