Streit der Woche: Uhl gegen Anonymität im Netz
Stehen Online-Pseudonyme auf dem Spiel? Facebook und Google+ wollen nur noch Nutzer mit bürgerlichen Namen. Zurecht, findet Hans-Peter Uhl von der CSU.
BERLIN taz | Hans-Peter Uhl (CSU) hält Anonymität im Netz für riskant. Kommunikation unter Pseudonymen bringe im Internet "gravierende Nachteile" mit sich, schreibt der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Streit der Woche der sonntaz.
Die Sicherheitsbehörden müssten in Einzelfällen die Identität eines Nutzers erfahren können. "Wer jede Frage damit beantwortet, das Internet sei nicht zu regulieren, gibt den Anspruch, die Realität mitgestalten zu wollen, ohnmächtig auf – und verschließt die Augen vor Gefahren, die aus der Anonymität im Internet folgen kann", meint Uhl.
Soziale Netzwerke wie Facebook und Google+ haben längst eine Klarnamenpflicht in ihre Geschäftsbedingungen aufgenommen. Nach den Attentaten in Norwegen hatte nun auch die CDU Klarnamen für Blogger gefordert. Dank Pseudonymen sei es ein Leichtes für Einzeltäter, terroristisches Gedankengut im Internet zu verbreiten.
Den ganzen Streit der Woche und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 13./14. August 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde noch mehr sonntaz auf: facebook.com/sonntaz.
Christiane Schulzki-Haddouti, Medienjournalistin und Autorin, ist der Meinung, dass Klarnamen für ein angenehmes Diskussionsniveau sorgen. "Private Anbieter im Netz können die Klarnamenpflicht fördern und Mechanismen wie die Kommentarbewertung nutzen", schreibt Schulzki-Haddouti im Streit der Woche. "Foren, in denen regelmäßig über Minderheiten gehetzt wird, sollten stärker geächtet werden." Daraus zu folgern, der Staat müsse diese durch ein Verbot von Pseudonymen belohnen, wäre aber falsch, so Schulzki-Haddouti.
Die amerikanische Bloggerin und Forscherin bei Microsoft Research Danah Boyd ist gegen die Aufhebung der Anonymität im Netz. Sie freut sich über die Empörung und die Proteste, welche die Diskussion um ein Vermummungsverbot nach sich zieht. "Auf dem Spiel steht das Recht des Menschen, sich zu schützen", schreibt Danah Boyd in der sonntaz. "Wenn Facebook und Google wirklich Wert auf die Sicherheit ihrer User legen, müssen sie deren Beschwerden ernst nehmen."
Ähnlich argumentiert der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Peter Schaar. "Wer auf die Vorteile der elektronischen Foren nicht verzichten will und zugleich nicht damit einverstanden ist, dass etwa der Arbeitgeber den persönlichen, politischen oder religiösen Background ausleuchtet, dem bleibt nichts anderes übrig, als unter Pseudonym zu schreiben", sagt Schaar.
Außerdem debattieren im Streit der Woche in der sonntaz: die Politikwissenschaflterin Julia Schramm, taz-Leser Joshua Marben und Holger Köpke, ehemaliges Mitglied im Chaos Computer Club.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland