Stadtplanung: Parkplätze weniger wichtig
Neue Wohnungen sollen künftig auch ohne eigene Stellplätze gebaut werden dürfen. Der Senat will dadurch flexibleren Wohnungsbau möglich machen.
Der SPD-Senat will die Stellplatzpflicht für Autos abschaffen. Künftig wären dann beim Bau neuer Wohnungen nur noch Stellplätze für Fahrräder verpflichtend. Bisher müssen in Hamburg, je nach Größe der Wohnung, zwischen 0,3 und 0,8 Parkplätze gebaut werden.
Bauherren, die auf Parkplätze verzichten wollen, müssen sich bei der Stadt freikaufen. Die Abschlagszahlung kann in der Innenstadt bei bis zu 10.000 Euro pro Parkplatz liegen und dieses Geld fließt in den Bau von öffentlichen Parkplätzen und Gemeinschaftsgaragen. Fällt die Stellplatzpflicht und damit auch die Abschlagszahlung weg, könnten neu gebaute Wohnungen günstiger oder wenigstens ohne Stellplatz vermietet werden, so die Idee des Senats.
Zurück geht diese Idee auf einen Antrag der Grünen aus dem April 2012. „Stellplätze und die Erstellung von Tiefgaragen treiben die Kosten für den Wohnungsbau unnötig in die Höhe“, heißt es darin. Da sich ein Großteil der Wohnungssuchenden die hohen Mieten nicht leisten könne und das eigene Auto zunehmend an Stellenwert verliere, müsse die Stellplatzpflicht abgeschafft werden.
Die Bedeutung des eigenen Autos nimmt gerade in Ballungsräumen wie Hamburg ab. Hier gibt es mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Fahrrad oder auch immer mehr Carsharing-Angeboten günstige Alternativen - bei denen auch die Parkplatzsuche entfällt:
Kamen 2005 auf 1.000 Einwohner noch 486 Autos, waren es 2012 nur noch 409.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wurden 2005 noch exakt 526.826 Personen befördert. 2012 waren es dann bereits 642.323.
Laut Bausenatorin Jutta Blankau (SPD) führe die Stellplatzpflicht dazu, dass neue Parkplätze vor allem in geförderten und Genossenschaftswohnungen nicht genutzt werden, „weil einkommensschwache Mieter häufig kein Auto besitzen“. Dirk Kienscherf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, möchte diese „Fehlentwicklung beseitigen“ und die Verantwortung für Parkplätze in Zukunft mehr in die Hand der Bauherren legen. „Wenn die Stellplatzpflicht in der heutigen Form abgeschafft wird, ermöglichen wir einen flexibleren Wohnungsbau in der Stadt“, sagt Kienscherf. Auf großen ungenutzten Parkflächen etwa in Steilshoop könnten dann Wohnungen entstehen.
Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Partei Die Linke, möchte gleichzeitig den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. „Nur die Stellplatzpflicht abschaffen, reicht nicht“, sagt sie. Und die Grünen wollen innerhalb des Ring 2 ein Parkmodell einführen, dass sich in Berlin bereits bewährt hat. Nach diesem sogenannten Berliner Modell sollen dann sämtliche Parkflächen kostenpflichtig sein. Hohe Preise und strenge Kontrollen sollen von außerhalb kommende Autofahrer abschrecken und dazu bringen, auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Rad umzusteigen. So sollen für die Anwohner, die gegen eine Verwaltungsgebühr von etwa 20 Euro überall parken dürfen, mehr Parkplätze frei werden.
Nicht nur in Berlin, sondern auch in den Nachbarländern Niederlande und Schweiz hat sich dieses Konzept bewährt. „In Amsterdam müssen die Anwohner in der Innenstadt rund 200 Euro Parkgebühren im Jahr zahlen“, sagt Dieter Apel, der lange als Stadtplaner in Hannover gearbeitet hat. Seit den 90er-Jahren gibt es diese Gebühr in den verwinkelten Gassen rund um die Grachten der Innenstadt. Seitdem verzichten laut Apel immer mehr Menschen dort auf das Auto. Er glaubt, dass das auch in Hamburg funktionieren kann.
Außerdem verliere das eigene Auto gerade in Ballungsräumen wie Hamburg und unter Studierenden immer weiter an Bedeutung. Carsharing-Stationen könnten an die Stelle des Privatwagens treten. „Wenn im Bedarfsfall ein Leih-Auto in der Nähe steht, fällt es viel leichter, auf ein eigenes Auto zu verzichten“, sagt Apel.
CDU und FDP möchten sich zu dem Thema nicht äußern, solange es noch keine einheitliche Meinung innerhalb der Fraktionen gibt. Und Thomas Domres, Vorsitzender der Hamburger Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik, sieht rot, wenn die Stellplatzpflicht wirklich abgeschafft werde: „Den Umstieg vom Auto aufs Rad mit solchen Mitteln zu erzwingen, ist zum Scheitern verurteilt“, sagt Domres.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren