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Spanien ist EuropameisterSpanien, wer sonst?

Ein großartiges Finale endet mit einem verdienten Sieger. Denn dort, wo andere das Limit erreicht haben, kann Spanien immer noch eins drauflegen. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Das kann noch lange so weiter gehen. Und das darf es auch. Bild: dapd

Das Spiel: Mit einem Wort: großartig! Schon das Vorrundenspiel zwischen Spanien und Italien war eines der besten des Turniers. Das Finale aber übertrifft alles, was diese – insgesamt recht gute – EM zu bieten hatte. Und ganz nebenbei ist es zeitweilig das beste und abwechslungsreichste Turnierfinale seit – Gott allein weiß, seit wann.

Großartig ist namentlich die erste Halbzeit: Schnelle Spielzüge, häufige Ballbesitzwechsel, selbst die auffällig vielen Abspiel- und Stockfehler, die beiden Mannschaften unterlaufen, sprechen nicht gegen, sondern für das Niveau dieser Partie. Man setzt sich gegenseitig unter Druck und zwingt den Anderen zu Fehlern. Einen Gerard Piqué in der spanischen Abwehr muss man erstmal tunneln können. Antonio Cassano (und später Mario Balotelli) können es.

Die Spanier spielen nicht wie gegen Portugal mit Alvaro Negredo im Sturm, sondern, wie schon im Auftaktspiel, ohne echten Stürmer und Cesc Fàbregas als „falscher Neun“. Sie versuchen, ihr gewohntes Kurzpassspiel durchzuziehen, weichen aber angesichts einer forsch in der gegnerischen Hälfte angreifenden italienischen Mannschaft auch immer wieder auf lange Zuspiele und Flankenwechsel aus. Die Italiener wiederum verstecken sich nicht, sondern versuchen von Anfang ihr Glück nach vorn, oft mit langen Bällen. Diese Taktik ist riskant, führt aber zu einem wunderbaren Fußballspaß.

Spanien - Italien 4:0 (2:0)

Spanien: Casillas - Arbeloa, Piqué, Sergio Ramos, Alba - Xavi, Busquets, Xabi Alonso - Fàbregas (75. Torres) - Silva (59. Pedro), Iniesta (87. Mata)

Italien: Buffon - Abate, Barzagli, Bonucci, Chiellini (21. Balzaretti) - Pirlo - Marchisio, Montolivo (57. Motta), De Rossi - Balotelli, Cassano (46. Di Natale)

Schiedsrichter: Pedro Proenca (Portugal)

Zuschauer: 63.170 in Kiew

Tore: 1:0 Silva (14.), 2:0 Alba (41.), 3:0 Torres (84.), 4:0 Mata (88.)

Gelbe Karten: Piqué - Barzagl

Besondere Vorkommnisse: Thiago Motta muss in der 61. Minute verletzt vom Platz. Italien spielt mit zehn Mann weiter, da das Auswechselkontingent erschöpft ist.

Spanien wird nach 1964 und 2008 zum dritten Mal Europameister und zieht gleich mit dem dreimaligen Titelträger Deutschland. Als erste Mannschaft der Welt gewinnen die Spanier drei bedeutende Fußballturniere hintereinander.

Dann, 14. Minute: Andrés Iniesta spielt einen göttlichen Steilpass quer durch die italienische Abwehr zu Fàbregas auf der rechten Seite. Der läuft bis zur die Linie, schlägt aus der Drehung eine exakte Flanke und David Silva köpft zum 1:0. Bei diesem Angriff spielen drei Spanier acht Italiener aus.

Doch Italien schreckt nicht zurück. Andrea Pirlo bringt einige gefährliche Ecken, Cassano schießt einige Male wütend aufs Tor, wobei Torwart Iker Casillas nicht immer sicher wirkt. Kurz vor Ende der Halbzeit schießt auch Balotelli, von dem nicht so viel zu sehen ist wie im Halbfinale gegen Deutschland.

Italien läuft Sturm – und Spanien kontert. In der 41. Minute spielt Xavi Hernández einen Zuckerpass auf Linksverteidiger Jordi Alba, der eine Lücke in der Abwehr entdeckt hat und über 60 Meter in den Strafraum gesprintet ist. Alba ist als erster am Ball, wird noch mal schneller, steht allein vorm Tor von Gianluigi Buffon und schiebt den Ball cool ins linke Eck. 2:0! Zuvor haben die Italiener ihren Innenverteidiger Giorgio Chiellini verloren, der sich ohne Fremdeinwirkung verletzt hat. Für ihn kommt Federico Balzaretti.

Das Halbzeitergebnis geht in Ordnung, entspricht in dieser Höhe aber nicht dem Spielverlauf. Zur Pause bleibt das Gefühl: Diese Messe ist noch nicht gelesen. Und es bleibt die Frage: Können die Italiener ihr kräftezehrendes Spiel durchhalten? Nach der Pause bringt Trainer Cesare Prandelli Antonio Di Natale für Cassano, der gleich zwei gute Gelegenheiten hintereinander hat. In der 51. Minute steht Di Natale frei vorm Tor, aber jetzt zeigt Casillas, was er kann. Dann kommt noch Thiago Motta für Riccardo Montolivo.

Der entscheidende Moment: In der 62. Minute, wenige Minuten, nachdem er ins Spiel gekommen ist, verletzt sich Motta und kann nicht mehr weiterspielen. Und Italien kann nicht mehr wechseln. Zur Erinnerung: Es ist Finale, es ist Spanien, es steht 0:2 und das in Unterzahl? Was keine Mannschaft der Welt bewerkstelligen könnte, können auch die Italiner nicht.

Danach ist das Spiel nicht mehr dasselbe. Auch ohne Unterzahl wären den Italienern vermutlich irgendwann die Kräfte ausgegangen, aber jetzt geht nichts mehr. Sie verteidigen, so gut es geht, sogar Balotelli muss hinten aushelfen. Aber die Spanier können jetzt ungefährdet ihr Spiel durchziehen: 3:0 der eingewechselte Torres nach einem Zuspiel von Xavi; 4:0 der ebenfalls eingewechselte Juan Mata nach einem Pass von Torres. Am Ende darf sogar Sergio Ramos versuchen, per Hackentrick ein Tor zu erzielen. Das haben die Italiener nach diesem Turnier nicht verdient. Der Schlusspfiff ist für sie Erlösung.

Der Spieler des Spiels: Xavi. Nachdem er im Halbfinale gegen Portugal nach einer eher schwachen Leistung auswechselt wurde, ist er wieder der Denker im Mittelfeld. Er dirigiert mit Bravour das spanische Spiel, hat einige gute Chancen und liefert zwei Torvorlagen.

Die Pfeife des Spiels: Eigentlich Trainer Prandelli. Frühzeitig braucht er sein Auswechselkontingent auf und kann, als er muss, nicht mehr wechseln. Noch schwerwiegender: Seine Taktik, nicht erst abzuwarten, sondern von Anfang mit offensivem Pressing vorzugehen, beschert uns zwar ein schönes Fußballspiel, seiner Mannschaft aber einen 0:2-Rückstand zur Pause. Andererseits: An diesem Tag hätte er jede andere Taktik wählen können, am Ende hätte doch das Team seines Gegenübers Vicente del Bosque gewonnen.

Deshalb entlassen wir den Trainer als Pfeife des Spiels und wählen stattdessen Linksverteidiger Andrea Barzagli. Ein Kopfbalduell gegen David Silva zu verlieren, muss man erstmal hinkriegen.

Die Schlussfolgerung: Auch nach einem durchwachsenen Turnier können die Spanier noch groß aufspielen. Wo andere ihr Limit erreicht haben, können sie noch nachlegen. Als erste Mannschaft der Welt haben sie nun drei bedeutende Turnier hintereinander gewonnen. Das hat noch keine europäische (und keine südamerikanische) Mannschaft geschafft. Dazu: zehn K.O.-Spiele in Folge ohne Gegentor, unbesiegt, schier unbezwingbar, unsterblich und zum Niederknien schön. Und so lange es beim FC Barcelona so läuft, wie es in den vergangenen Jahren gelaufen ist, ist kein Ende abzusehen.

Und sonst? David Villa und Carles Puyol, die verletzungsbedingt nicht im Kader waren, stehen Ende der zweiten Halbzeit am Spielfeldand und smsen diese Nachricht in die Welt hinaus – könnte ja sein, dass es jemand nicht mitbekommen hat. Aber keine Sorge, wir haben es mitbekommen. Und dafür sagen wir: Gracias, España! Danke, dass wir euch zusehen durften. Und wer das immer noch langweilig findet, soll bügeln gehn.

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19 Kommentare

 / 
  • A
    ARD

    Hey Deniz,

     

    sehr schöner Artikel - complimenti! :-)

     

    Es grüßt die ARD Sportredaktion vom verregneten Finale unterm Zeltdach... .

  • R
    Roger

    Es ist ja kaum noch auszuhalten diese gebetsmühlenartige Verherrlichung des Spanischen Fussballs. Also für mich persönlich war dies die langweiligste EM aller Zeiten, ohne Überraschungen, ohne Höhepunkte, ohne Spannung! Es ist übrigens sehr leicht so ein Turnier zu gewinnen wenn die Mannschaft keine echten Gegner hat!

  • K
    Klaus

    Glückwunsch an Spanien! Die beste Mannschaft der Welt

    ist verdient EM Meister geworden und das ohne Überheblichkeit ala Deutschland!

     

    Die Deutsche Mannschaft wird eine lange Durststrecke

    hinlegen....es war ja angebliche die beste Mannschaft

    seit 30 jahren....also denke ich demnächst einmal die Bälle ganz,ganz flach halten....den die nächsten

    20-30 Jahre wird das leider nichts mit einem Titel.

    Der DFB sollte vielleicht einmal seine gesamte Fürhrung

    überdenken!

  • D
    dennis

    genau, die tollen spanier. mann leute, es war nur ein spiel. deren landsleute sitzen arbeitslos zu hause und die multimillionäre gewinnen einen pokal. juhu! die deutschen haben super gespielt. waren leider nur zu naiv gegen italien. in zwei jahren sieht das anders aus. und monsieur peter pan. die deutschen haben nicht gesagt, dass sie unschlagbar wären, sondern, dass sie jeden schlagen können. ist doch sachlich völlig korrekt. als wenn der zweite der weltrangliste sowas nicht sagen dürfte, um sich vor einem bevorstehenden halbfinale gegen italien und einem eventuellen finale gegen spanien selbst mut zu machen. die ganzen sofapupser sind jetzt gott sei dank wieder still, wenn der graue bundesligaalltag ruft. da darf man auch wieder lokalpatriotisch sein bis zum "get no". gott sei dank. schade italien, glückwunsch spanien.

  • J
    J.Riga

    @ Claudia

     

    Wie recht sie doch hat: nicht "Spanien" ist champion geworden, sondern die "spanische Herrennational-

    mannschaft"

    Und wenn "Deutschland" spielt, ist das gar nicht Deutschland, liebe Claudia, sondern die BRD; denn DEUTSCHLAND ohne Österreich und Tirol gibt es gar nicht-

     

    Mit gesamtdeutschen Grüßen aus Deutschtirol!

     

    Fussball-Sepp

  • PP
    Peter Pan

    Was kann die deutsche NM von den Spaniern lernen?

    Demut und Respekt! Diesen Fußball werden sie eh nie so spielen können. Die Spanier, obwohl die Besten der Welt, tönten nicht schon vorher laut, dass sie unschlagbar wären.

  • R
    routier

    Klasse Spiel und dann gleich 4:0 gegen die geliebten Azurro. Sportlich sind die ganz weit oben. Motorrad, Tennis und auch Formel 1. Und Häuser bauen Sie auch so schnell. Da leider ein Eigentor -wie im Rest von Spanien. Ja die Helden, wie werden Sie doch geliebt un in südlichen Gefilden. Unsere Mannschaft ist ja auf dem Acker eingeschlafen. Haben auch nur 300.000 Euronen bekommen.

    MamaMia

  • R
    Raschkralle

    Nur bedauerlich, dass die Deutschen im Spiel um den dritten Platz nicht mehr gegen Portugal verlieren können, weil es solch ein Spiel leider nicht gibt.

  • B
    BKBuchholz

    Ein großes Lob an die Italiener, denn ohne ihre offensive Spielweise hätten wir ein technisch perfektes, aber todlangweiliges Tiki-Taka zu sehen bekommen.

  • K
    kroete

    Zwar kommt es einem schon spanisch vor, aber der Fußball der Spanier zeigt, daß Ästhetik und Erfolg eine sehenswerte Symbiose eingehen können, Fußball zu einem Kunstwerk erheben.

    Wahrhaftig eine Augenweide, die Spanier spielen zu sehen, was natürlich nicht ohne einen adäquaten Gegner wie Italien funktionieren kann.

    Danke für diese Darbietungen, auch wenn die Deutschen nicht mehr als Fußballrumpelstilzchen bezeichnet werden dürfen, hier können sie nicht mithalten.

  • F
    Friederike

    Glückwunsch an Spanien ! Tolles Spiel und der Sieg ist von Herzen gegönnt.

  • MB
    ms beaver

    Schöner Artikel zu einem schönen Spiel, danke!

    Jetzt bin ich mit dieser EM wieder einigermaßen versöhnt.

  • EM
    eine meinung

    Deutschland hat im Spiel gegen Italien 2 Tore bekommen, die es verdient hat.

    Spanien hat ein sehr schönes Finalspiel geliefert. Jeder hat bekommen, was ihm zusteht. Spanien für seinen Können und Teamwork den Pokal. Und von Super-Balotelli war nicht viel zu sehen. Es spielt sich schon anders wenn die Abwehr nicht Badstuber heisst. Die spanische Abwehr hat ihn gekonnt kalt gestellt.

    Der neue Meister ist zwar der alte Meister, aber verdient ist verdient. Viva Espania!

  • N
    nicolaus

    zwei Dreckfuhler: Kopfbalduell und Spielfeldand

  • DP
    Daniel Preissler

    Super Beitrag von Herrn Yücel!

     

    Und besonders schön, dass er schon vor einigen Tagen praktisch dasselbe über das spanische Spiel geschrieben hat, sich den so oft passenden Hauptvorwurf an Journalisten nicht gefallen lassen muss, es im nachhinein natürlich (besser d;-) ) gewusst zu haben!!

     

    Jou, verdienter Europameister. Und, man muss es zugeben, selbst, wenn man anderen Mannschaften die Daumen drückt: solange Spanien so spielt, kann es keinen anderen wirklich verdienten Europameister geben. Das ist anders als früher.

    Freundliche Grüße,

    DP

  • C
    Claudia

    Ist ja nicht mehr auszuhalten, dieser Nationalismus hier in der Taz. Nicht Spanien ist Europameister geworden, sondern die spanische Herrennationalmannschaft.

    Ich bin enttäuscht von einer Zeitung von der ich dachte, dass die Redakteure da differenzieren und nicht auch diesen Patriotismus, der die vermeintliche "Mitte" der Gesellschaft mittlerweile deutlich prägt, reproduzieren bzw. propagieren.

     

    NATIONALISMUS RAUS AUS DEN KÖPFEN!

  • R
    Ralph

    Na da können die Deutschen ja froh sein nicht im Finale gegen diese Spanier spielen zu müssen! Es darf getippt werden, wie hoch die Spanier gewonnen hätten, 4:0, 5:0 usw.

  • MB
    mr ballo

    Spanien hat verdient gewonnen!!

    Wo ist den die so häufig beschworene Leistung und Tüchtigkeit der Deutschen? Heulend sind in die Kabine geschlurft, haben gleich in ewiger Schulddiskursmanier ein Trainer-Bashing angefangen, während die Südländer - besonders Spanien - leidenschaftlichen und schönen Fussball spielten.

  • MB
    monkey butt

    ach, nich scho wieder Spanien. Kann die nich ma jemand weggrätschen?