Serbischer Fußball: So homophob, so schwul
Ich bin schwul und Fußball-Fan. Keine leichte Verbindung in einem homophoben Land mit extrem homophoben Fans - und mit so sexy Fußballern.
Die Liebe zum Fußball hat mir mein Vater eingeprägt, so wie bei den meisten Jungen auch. Dank ihm habe ich auch "frei" entscheiden können, ein Fan von Roter Stern Belgrad zu werden. Noch als Kind hatte ich die Gewohnheit, vor jeder Weltmeisterschaft Aufkleber mit Fußballerfotos zu sammeln. Heute glaubt mir niemand, dass ich sie noch immer leidenschaftlich sammle. Man hält mich wohl zu alt dafür.
Ich gebe zu, es hat so einige Zeit gedauert, bis ich den Mut dazu fasste, zum Markt Terazije im Zentrum Belgrads zu gehen, wo Sammler die Aufkleber untereinander austauschen. Trotz der Angst, dass mich ein hitziger homophober Fußballfan erkennen könnte - als mir an die fünfzig Aufkleber fehlten, ging ich dorthin und amüsierte mich gut in diesem sozialen Netz. Ich hatte eine bessere Zeit als bei Facebook.
Doch kommen wir auf mein Lieblingsthema zurück. Es ist schwer, in Serbien ein Fan von Roter Stern Belgrad, dem ehemaligen Europapokalsieger, zu sein. Der große Lokalrivale Partizan Belgrad hat in den letzten Jahren alle Titel geholt. Sie feiern zu sehen, tut mir weh, doch finde ich Trost - und zwar in den Partizan-Spielern.
Boris Milicevic, 40, ist Journalist, Fan von Roter Stern Belgrad und einer der bekanntesten serbischen Schwulen-Aktivisten und Gründer der Gay Straight Alliance.
Was mich, bei aller Liebe zu Roter Stern, über die Meisterschaft von Partizan hinwegtröstet, hat nichts mit Fußball zu tun, sondern hat andere, wenn man so will, "schwule Gründe": Denn Siege und Titel für Partizan geben mir die Gelegenheit, die entblößten Spieler von Partizan zu genießen. Keine andere serbische Mannschaft, die so oft und so gern nur in Shorts über das Spielfeld läuft, manchmal sogar ganz ohne. Welch ein Genuss, wenn ein bekannter Fußballer in Armani-Höschen vor Fotoreportern posiert, während ein Polizeikordon und tausende Partizan-Fans seinen gemeißelten Körper bewundern.
Es ist unwahrscheinlich, dass einer dieser Fans eine Ahnung davon hat, dass Giorgio Armani fast das Modegeschäft aufgab, als sein Lebenspartner Sergio Galeotti im Jahr 1985 starb. Welch ein Verlust wäre das für Partizan, seine Fans und Spieler gewesen! Wer könnte besser das Design für dieses kleine Stück Textil für die "Pakete" der Spieler machen, das gerade so viel bedeckt, dass ein Mann zelebriert und begehrt werden kann? Zelebriert und begehrt auch von Männern.
Es war für mich schon immer faszinierend, dass die homophoben Fans die homoerotischen Gesten der Sportler nicht erkennen. Wenn wir die Spieler sehen, wie sie sich küssen, umarmen, streicheln, orgienartig auf dem Rasen wälzen, am Po tätscheln, aufeinanderspringen, erkennt kaum jemand daran etwas Sexuelles. (Okay, dieses Greifen der Hoden beim Freistoß kann nicht übersehen werden.)
Ich muss gestehen, mir ist es ein wenig peinlich, wenn ich all diese Fans, Spieler, Trainer, Manager, diese Macho-Männer sehe, wenn sie, einfach gesagt, in so schwuler Weise Tore und Siege feiern. Jedes Gay-Paar würde heftige Prügel riskieren, wenn es irgendetwas aus diesem Repertoire während eines Fußballspiels vor den Fans nachahmen würde.
Im WM-Gastgeberland Südafrika wurde im April 2008 die Fußballnationalspielerin Eudy Simelane tot in einem Fluss in ihrem Heimatort gefunden. Sie war lesbisch. Sie wurde 25-mal mit dem Messer gestochen, ins Gesicht, in die Brust, in die Beine. Die Obduktion zeigte, dass sie zuvor Tod mehrere Männer verprügelt und vergewaltigt haben, in der Hoffnung, sie zu "küren".
Wenn man sich das Schicksal von Sportlern anschaut, die sich als Homosexuelle bekannten, wundert es nicht, dass es unter 120.000 Kickern in Serbien keinen einzigen gibt, von dem bekannt wäre, öffentlich zuzugeben, schwul zu sein. Bei den serbischen Fußballfans, von denen die vorlauten Mitgliedern der Gayparade mit dem Tod drohen, worauf Fußballfunktionäre stumm bleiben, kann man auch in absehbarer Zeit nicht erwarten, dass sie den Mut aufbringen würden, sich zu bekennen. In Südafrika, wo Homosexuelle mit Vergewaltigung gekürt werden, kann man das erst recht nicht erwarten.
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