Polizisten beim Ku-Klux-Klan: Bibelstunde mit dem Reverend
Wie kamen zwei Böblinger Polizeibeamte in den rassistischen Ku-Klux-Klan? An einer Ruine ließen sie sich Ende 2001 zu „Rittern“ schlagen. Ihren Job durften sie behalten.
BERLIN taz | Der erste Kontakt zum Ku-Klux-Klan (KKK) soll sich im Sommer 2001 in einer American Sportsbar in Schwäbisch Hall ergeben haben. Dort will der Polizist mit vier Männern ins Plaudern gekommen sein und irgendwann habe man halt über den Geheimbund geredet. Den kannte der Polizist bisher nur aus Filmen, er wunderte sich, dass es auch einen KKK-Ableger in Deutschland geben soll. Doch, doch, versicherten ihm die vier Männer. Und sie mussten es wissen: Einer von ihnen war Achim S., der Anführer der European White Knights of the Ku Klux Klan.
Normalerweise würde man meinen, dass ein Polizist, der Männer von einer rassistischen Geheimorganisation trifft, sofort zur Staatsschutz-Abteilung rennt. Nicht so in diesem Fall: Der bei der Bereitschaftspolizei in Böblingen bei Stuttgart Dienst schiebende Beamte wollte selber beim Ku-Klux-Klan mitmachen und brachte, wie er zugab, noch einen Kollegen zu einem Treffen des Geheimbunds in eine Kneipe mit. Später wurden die beiden heute 42 und 31 Jahre alten Polizisten Mitglieder bei dem KKK-Ableger und besiegelten die Zugehörigkeit mit ihrem Blut.
Wie dieser Aufnahmeritus abgelaufen sein soll, schilderte der jüngere der Polizisten im Rahmen eines Disziplinarverfahrens 2004 so: Zwischen Weihnachten und Neujahr 2001 habe er den Anführer der European White Knights of the Ku Klux Klan in Schwäbisch Hall in dessen Wohnung besucht. Am Abend fuhr ihn jemand im Auto aus der Kleinstadt hinaus bis zum Fuß einer Ruine.
An einer Lichtung seien ihm dann die Augen verbunden worden, schließlich wurde der Polizist über eine Treppe in einen Raum geführt. Dort habe ihm der Anführer Achim S., der sich innerhalb des Klans „Reverend Ryan Davis“ nannte, Texte und Bibelzitate vorgelesen. Mit einer Rasierklinge musste sich der Polizist in den Finger ritzen und den Schwur mit einem Tropfen Blut besiegeln – dann wurde er mit einem Schwert zu einem „Ritter“ des deutschen Ku-Klux-Klan-Ablegers geschlagen.
Der Ministerpräsident schweigt
Die zeitweise Mitgliedschaft der zwei Polizeibeamten beim Ku-Klux-Klan war erst diese Woche öffentlich bekannt geworden. Sie hat bundesweit für Empörung gesorgt. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ist in heller Aufregung, doch öffentlich zu der Sache äußern wollten sich am Mittwoch weder Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch Innenminister Reinhold Gall. Letzterer will nun aber vom Landespolizeichef spätestens in 14 Tagen einen umfassenden Bericht auf den Tisch bekommen.
Fest steht: Die Affäre ist alles andere als geeignet, das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden wiederherzustellen – zumal neue Details die Affäre noch skandalöser erscheinen lassen.
Bisher bekannt war, dass die beiden Ex-KKK-Männer zwar disziplinarrechtlich sanktioniert wurden, aber zum Entsetzen vieler weiter im Polizeidienst bleiben durften. Neu ist, dass laut interner Akten einer der Polizisten sich schon zuvor einmal eine „missbilligende Äußerung“ eingefangen hatte - die niedrigste Abstrafung, die das Disziplinarrecht vorsieht. Der Grund: Er habe in einer Kneipe „rechtsradikale Lieder und Gedankengut kundgetan“.
Gleichwohl wollen die beiden Polizisten zuerst gar nicht gemerkt haben, dass es sich beim Ku-Klux-Klan um eine rassistische Organisation handelte. Es sei ihnen vielmehr um Gemeinschaft in „netter Runde“ gegangen, sagten sie bei den internen Ermittlungen aus. Außerdem sei dort viel über das Christentum geredet worden. Eine Art „Kirchenersatz“ nannte einer der Polizisten den Geheimbund.
Doch welche perverse Form des Glaubens die European White Knights of the Ku Klux Klan predigten, zeigt ein Flugblatt der Truppe, das zumindest einer der beiden Polizisten auch kannte. Darauf ist ein durchgestrichenes Paar abgebildet, ein schwarzer Mann und eine weiße Frau. Darunter steht ein Bibelzitat: „Es soll auch kein Mischling in die Gemeinde des Herrn kommen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt