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Rücktritt des EU-GesundheitskommissarsDie Tabak-Lobby hat gesiegt

Der EU-Gesundheitskommissar Dalli trat zurück, obwohl er nicht bestochen wurde. Ausgerechnet das nutzt nun der Zigarettenindustrie.

Sagt, der Präsident der EU-Kommission habe ihn zur Aufgabe seines Amtes als EU-Gesundheitskommissar gezwungen: John Dalli. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Es ist eine paradoxe Affäre: Wegen einer angekündigten, aber nie umgesetzten Bestechung durch die Tabak-Lobby ist EU-Gesundheitskommissar John Dalli zurückgetreten – und von diesem Rücktritt wiederum profitiert die Tabakindustrie. Denn die von Dalli geplanten schärferen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln kommen durch den Wechsel erst mal gar nicht.

Die Details der Überarbeitung der Tabak-Richtlinie wollte der aus Malta stammende Dalli eigentlich in der kommenden Woche vorstellen. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass Marken-Logos von Zigarettenschachteln verbannt werden sollten. Stattdessen sollten diese fast vollständig mit Warnhinweisen bedruckt werden.

Doch am Mittwoch teilte die Kommission mit, dass die Arbeit an der Richtlinie ruht, bis ein regulärer Nachfolger für Dalli gefunden ist. Doch das kann mehrere Monate dauern. Eventuell sollen sogar die Wahlen in Malta abgewartet werden, für die es noch keinen genauen Termin gibt.

„Wir sind sehr besorgt, dass die Richtlinie nun weiter verschoben wird wegen des massiven Drucks der Tabakindustrie“, sagt Florence Berteletti Kemp von der Smoke Free Partnership, einem Anti-Tabak-Netzwerk in Brüssel. Tatsächlich scheint der Rücktritt von Dalli das Ergebnis einer groß angelegten Lobby-Kampagne der Tabakindustrie zu sein, auch wenn noch viele Fragen offen sind. Der Malteser war am Dienstag nach einem Treffen mit EU-Präsident José Manuel Barroso zurückgetreten.

Von Betrug war nicht die Rede

Offizieller Grund: Der schwedische Tabak-Konzern Swedish Match hatte sich bei der Anti-EU-Betrugsbehörde Olaf über einen maltesischen Geschäftsmann beschwert. Dieser habe angeboten, als guter Freund des Kommissars die Tabak-Richtlinie entschärfen zu können. Dafür wollte der Malteser Geld. Olaf fand heraus, dass Dalli von diesem Angebot wusste, aber nichts dagegen tat.

„Wenn jemand meinen Namen benutzt, um damit Geld zu verdienen, dann würde ich alles versuchen, um das zu verhindern – doch das ist in diesem Fall nicht passiert“, sagte der Leiter von Olaf, Giovanni Kessler, am Mittwoch in Brüssel. Von Betrug wollte Kessler aber nicht sprechen. Denn Dalli habe kein Geld von dem Geschäftsmann erhalten und auch die Tabak-Richtlinie nicht im Sinne der Schweden verändert.

Diese wollten ein Exportverbot für schwedischen Kautabak verhindern. Es gab lediglich zwei Treffen zwischen dem Kommissar und Lobbyisten des Schwedischen Tabakkonzerns, die der Malteser Geschäftsmann organisiert hatte, fasste Kessler die Untersuchungsergebnisse zusammen. Solche Treffen gibt es allerdings ständig in Brüssel. Olaf habe keinerlei Empfehlungen für einen Rücktritt gegeben.

Maltas Staatsanwaltschaft entscheidet

John Dalli selbst nahm nur in Malta Stellung zu den Vorwürfen und erklärte einer dortigen Zeitung, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Der Präsident der EU-Kommission habe ihn zum Rücktritt gezwungen. Dies wiederum dementiert Brüssel. Über Dallis Schicksal muss nun die maltesische Staatsanwaltschaft entscheiden. Die Antibetrugsbehörde Olaf hat ihr die Untersuchungsergebnisse weitergeleitet. Sie selbst kann keine Anklage erheben.

Dalli war nicht als Freund der Industrie bekannt. Die Anti-Tabak-Gesetzgebung hatte er zum wichtigsten Projekt seiner Amtszeit erklärt. Nach seinen Angaben liegt die Richtlinie schon seit Monaten fertig in seinen Schubladen – und zwar schon vor den Treffen mit den Schwedischen Lobbyisten. Das Brüsseler Anti-Tabak-Netzwerk sprach dann auch von „einem der schlechtesten Tage für die öffentliche Gesundheit in der Europäischen Union“.

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10 Kommentare

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  • R
    Rursus

    Jetzt noch mal von vorne:

    Dalli "wurde zurückgetreten" weil er nicht von der Tabakindustrie bestochen wurde?

    Überlegen wir doch mal: Die neue Tabakrichtlinie ist schon fertig. Was könnte besser sein um diese in Stein zu meisseln, als vorher einen Bestechungsskandal seitens der Tabakinddustrie? Könnte es nicht viel eher sein, dass Herr Dalli über seinen Bekannten versucht haben könnte die Schwedische Firma dazu zu bringen sich zu exponieren und dann das ganze Öffentlich zu machen? Immerhin hat die Tabakfirma das ganze angezeigt!

    Wäre der Coup gelungen, wäre die neue Richtlinie gegen Kritik unempfindlich geworden. Einer sachlichen Diskussion hätte danach nicht mehr stattgefunden. Da würde es gut passen, wenn man die Tabakindustrie als Schreckgespenst hinstellen kann, welches auch Bestechung nicht zurückschreckt. Seltsam bei der Sache ist: Die Frage nach dem Geld ging von einem Bekannten von Dalli aus und die Tabakfirma hat dieses bei OLAF angezeigt... Und wie, konstruiert man hieraus einen Versuch der Tabakindustrie Dalli zu bestechen? Ganz schön wirr...

  • M
    MFrank

    Ist es nicht merkwürdig, dass der einzige der davon zu profitieren scheint, die Tabakindustrie ist und dass nur ein Paar Tage danach in Brüssel in den Büros von drei verschiedenen Gesundheitsorganisationen die gegen der Tabakindustrie agierten eingebrochen wurde und Computer gestohlen wurden in denen Dokumente über die neue Tabak-Richtlinie gespeichert waren. Und das obwohl diese Büros in einem Gebäude sind wo über ein Dutzend andere Organisationen ihre Büros haben und diese alle unbehelligt blieben. In jedem Krimi wird nachgefragt wer wohl von einer kriminellen Handlung profitiert...

  • KF
    Karl Fasbracke

    Der wirkliche Skandal ist, dass die EU Kommission den EU-Bürgern den Zugang zu Schwedischem Snus verwehrt hat und weiterhin verwehren wollte. Ein Bischen Korruption ist dagegen ein Kavaliersdelikt.

     

    Solange aber alle reflexartig auf die Tabaklobby schimpfen, auf dem anderen Auge aber blind sind, hat die Tabakkontrolle leichtes Spiel. Dass hier ausgerechnet ein Tabakkonzern gepetzt hat ist nicht verwunderlich, denn den Profiteueren der Tabakrichtlinie dürfte der gute Ruf von Dalli ziemlich wichtig sein.

  • MR
    M R

    "Anti-EU-Betrugsbehörde Olaf"???

     

    Also eine Behörde, die Betrug gegen die EU organisiert und verwaltet???

     

    lol

  • V
    vic

    Thank you for smoking....

  • R
    redlin

    Monsanto wird er jedenfalls fehlen!

  • Z
    Zeus35

    Ooooch neeeee, nun kommen die pösen-pösen Warnbilder nicht.

    Die hätten der TI auch kräftig geschadet. Im Ernst, wen interessieren die dämlichen Sprüche überhaupt? Als ob sich einer dadurch vom Rauchen abhalten ließe.

     

    Und die Ekelbilder? Eigentlich müßten Eltern die EU wegen Verletzung des Jugendschutz verklagen wenn sowas käme.

  • J
    Jörn

    So funktioniert Bestechung: Entweder man nimmt das Geld leise und fügt sich den Forderungen der Geldgeber oder es wird einem etwas "angehängt". Wenn dieses Modell hier so gut funktioniert, deutet das darauf hin, dass die anderen eher das Geld nehmen ...

  • PS
    Peter Schmidt

    Dieser Artikel geht komplett an der Wahrheit vorbei. Warum verdrehen sie Tatsachen? Und zwar auch nur in eine Richtung. Die "böse Tabakindustrie" auf der einen Seite und Dalli, der "nicht bestochen wurde" auf der anderen Seite. Die aktuelle Sachlage - nicht mehr, nicht weniger - sieht so aus, dass ein Maltesischer Geschäftsmann an den Tabakkonzern Swedish Match herangetreten ist. Angeblich wurde dem Konzern das Angebot gemacht, dass der Geschäftsmann durch seinen Kontakt zu Dalli die Gesetzgebung zu Gunsten der Firma beeinflussen könne. Der Schwedische Konzern meldete diesen Vorfall dann umgehend an die Anti-Bestechungsbehörde. DAS ist der aktuelle Stand, alles was sie schreiben ist leider über weite Strecken schlicht unwahr. "Tatsächlich scheint der Rücktritt von Dalli das Ergebnis einer groß angelegten Lobby-Kampagne der Tabakindustrie zu sein, auch wenn noch viele Fragen offen sind" was bitte hat der Rücktritt mit dem Lobbying der Tabakindustrie zu tun? Nichts! Auch stellt der Schwedische Konzern gar keinen Zigaretten her, also auch diese Schlussfolgerung (Nutzen für die Zigaretten-Industrie" ist an den Haaren herbeigezogen. Schlechter Journalismus, sehr schlechter.

  • TF
    Thomas Fluhr

    'Der Präsident der EU-Kommission habe ihn zum Rücktritt gezwungen. Dies wiederum dementiert Brüssel. Über Dallis Schicksal muss nun die maltesische Staatsanwaltschaft entscheiden. Die Antibetrugsbehörde Olaf hat ihr die Untersuchungsergebnisse weitergeleitet. Sie selbst kann keine Anklage erheben.'

    Untersuchung gegen wen, den Präsidenten der EU-Kommission oder gegen Dalli, wo wäre was zu finden?