Rechtsstreit um Online-Musik: Musik-Recyceln verboten?
Warum darf man gebrauchte CDs verkaufen, digitale Musik aber nicht? ReDigi bietet einen Marktplatz für Digitalmusik und wird verklagt. Auch Google sieht sich bedroht.
Es gibt Rechtsstreitigkeiten, die wirklich niemanden überraschen. Der Fall ReDigi gehört dazu. Ende letzten Jahres hatte das Unternehmen einen neuen Internet-Marktplatz gestartet, auf dem Kunden digitale Musik verkaufen können.
Das Prinzip ist einfach und – wenn man den Machern glauben kann – sogar genial: Wer ein Musikstück verkaufen will, lädt es mit dem "Media Manager" auf die Server von ReDigi hoch. Gleichzeitig wird die Datei vom Rechner des Verkäufers gelöscht. Er kann sich die Musik noch online anhören, bis sie einen Käufer gefunden hat – dann ist sie weg.
79 Cent kostet ein Musikstück, das Unternehmen kassiert eine Provision. Für die Kunden gibt es zusätzlich eine große Einschränkung: Sie bekommen den Kaufpreis nicht ausbezahlt, sondern können ihre Einnahmen nur in neue Musik bei ReDigi investieren.
Diese digitale Nachbildung eines Flohmarktes hat schon mächtige Gegner gefunden: Die Musikindustrie warnte ReDigi bereits kurz nach Gründung vor möglichen Rechtsstreitigkeiten. Kein Wunder: Beim Weiterverkauf von Musik geht sie leer aus. Jetzt hat der Musikkonzern EMI in Gestalt seines Labels Capitol Records eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der ReDigi der Geschäftsbetrieb untersagt werden soll.
Bei iTunes nicht verboten
In der Klage (PDF-Datei) beschuldigt Capitol Records das junge Start-Up der systematischen Verletzung des Urheberrechts. So verböten Download-Shops wie Amazon.com das Weiterverkaufen digitaler Musik. Zudem gebe es keine Garantie, dass die verkauften Musikstücke tatsächlich legal erworben und beim Verkäufer gelöscht würden. ReDigi kontert, dass das Unternehmen die bei Amazon gekaufte Musik bisher nicht akzeptiere und stattdessen ganz auf die bei der Apple-Plattform iTunes gekaufte Musik konzentriere.
Hier sei ein Weiterverkauf der Musik nicht verboten. Zudem suche der "Media Manager" sehr gründlich nach verbliebenen Kopien von Musikstücken. Selbst auf einem iPod, der mit dem Rechner des Verkäufers synchronisiert wird, werde die Musik gelöscht.
Dass das Argument mit den Geschäftsbedingungen kaum ausreicht, war den Anwälten des Plattenlabels klar. Sie haben noch ein anderes gefunden. ReDigi transportiere nicht etwa die Musik vom Verkäufer auf seine Plattform und anschließend zum Käufer. Stattdessen sei jeder Schritt eine unerlaubte Kopie. "Während ReDigi seine Plattform als Äquivalent eines Ladens für gebrauchte Schallplatten anpreist, ist die Analogie nicht anwendbar: Plattengeschäfte machen keine Kopien der Scheiben um sie in ihre Regale zu stellen", heißt es in der Klageschrift.
Kopien in der Cloud
Eine so weitgehende Argumentation wäre jedoch nicht nur für ReDigi ein Problem, sondern auch für die Anbieter von Cloud-Diensten, wie zum Beispiel Google, bei denen Nutzerdaten auf Servern im Internet gespeichert werden. Der konzerneigene Musikdienst Google Music macht nämlich genau das: Kopien der Musik auf der Platte der Kunden erstellen und sie auf Google-Server bereitstellen.
Zwar hat auf diese Dateien niemand anderes Zugriff, und es werden auch keine Musikdateien an andere Nutzer verkauft – doch würde das New Yorker Gericht die Definition unerlaubter Kopien so weit fassen wie von der Musikindustrie gewünscht, könnten anschließend auch Google Music und zahlreiche ähnliche Dienste ebenfalls lahmgelegt werden.
Um das zu verhindern, versucht Google nun in den Rechtsstreit einzugreifen. Mit einer eigenen Eingabe (PDF-Datei) versucht der Konzern, die Argumentation von Capitol Records zu zerpflücken. Denn einerseits wird der Handel auf ReDigi als unerlaubte Kopie gebrandmarkt, weil kein Musikträger den Besitzer wechselt. Auf der anderen Seite wirft der Kläger ReDigi unerlaubten Handel vor, obwohl keine CD oder Schallplatte den Besitzer wechselt. Nur eins von beiden könne Recht sein.
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